Chrisi, Dunkey Island (Eselsinsel) oder Gaidouronisi, liegt rund 14 km südlich von Kreta vor der Stadt Ierapátra. Von April bis in den
Oktober fahren täglich gegen 10 Uhr einige Ausflugsboote hinüber und nachmittags gegen 16 Uhr wieder zurück. Die wenigen Stunden
Aufenthalt reichen durchaus um sich einen recht guten Eindruck von der Insel zu verschaffen.
Die Ausflugsboote sind in den Sommermonaten i. d. R. recht voll. Auch aus den touristischen Zentren der Nordküste werden die Leute
pünktlich zur Abfahrtzeit mit Bussen herangefahren. Wer aber die besondere Atmosphäre der Insel erleben möchte sollte zumindest
eine Nacht bleiben. Unterkünfte gibt es zwar nicht, aber man kann sich in die Dünen unter Wachholderbäumen oder an einem der
Strände legen.
Chrisi ist eine kleine Insel. Sie ist in Ost-West Richtung etwa sechs Kilometer lang und in Nord-Süd Richtung maximal rund 1,5 km
bereit. Ihre höchste Erhebung beträgt 27 m. Von Ierapátra aus kann man sie nur bei klarer Sicht als einen schmalen Streifen am
Horizont erkennen, während man umgekehrt einen schönen Ausblick auf die südöstliche Bergregion Kretas hat. Die Insel ist
unbewohnt. Fischer haben zwar einen Unterstand gebaut und in den Sommermonaten wohnen ein paar Leute dort, die ihr Geld mit den
Tagestouristen machen. Es gibt zwei Tavernen mit recht eingeschränkter Auswahl und die Preise sind auch 'ganz gut' (eine Dose Bier
oder Cola umgerechnet 5 DM!). Dennoch kann man nicht unbedingt sagen, dass die Preise überzogen sind. Es gibt weder Strom noch
(brauchbares) Trinkwasser, nur im Nordwesten gibt es eine einfach Zisterne, aus der man eher brackiges Wasser schöpfen kann (ich
habe es nicht ausprobiert). Somit haben die Tavernenwirte weitaus höhere Kosten zu verkraften als auf Kreta. Wer also länger bleiben
will sollte ausreichend Verpflegung und Wasser mitnehmen. Ich war allerdings zu dösig um das zu machen.
An dem Tag, als ich nach Ierapátra, fuhr war es sehr warm, vor allem auch schwül und kein Lüftchen bewegte sich. Vielleicht lag es
daran, das ich träge und unentschlossen durch die Stadt lief. Wollte ich wirklich auf Chrisi übernachten und wenn, wie lange? Erst am
anderen Morgen entschied ich mich zumindest eine Nacht zu bleiben. Eigentlich hätte ich Zeit genug gehabt mich mit Proviant
einzudecken, doch zunächst frühstückte ich ausführlich im Hotel und als ich dann kurz nach neun Uhr auf die Straße trat, mit der
Absicht eben ein Ticket zu holen und dann schnell noch einmal einkaufen zu gehen, empfing mich der neue Tag mit deutlich spürbaren
Wind. Über Nacht hatte sich das Wetter geändert. So sagte man mir auch gleich im Ticketbüro, ich solle sehn, das ich schnell auf eines
der beiden großen Boote gelange, denn nur die beiden großen Boote hätten heute eine Auslaufgenehmigung, die kleinen blieben im
Hafen wegen dem Wind und des Wellenganges. Deswegen würde es heute auf den Booten eng werden. Auf dem Weg zur Anlegestelle
kaufte ich also schnell noch etwas Wasser und ein paar Knabbersachen an einem Kiosk. Und tatsächlich standen schon etliche Busse
vor den Booten und die Leute drängelten sich.
Direkt am Anleger auf Chrisi steht eine der beiden Tavernen. Es ist mehr eine Baracke als ein Gebäude. Der Besitzer verkauft zudem
Andenken, Muscheln, Schwämme etc. Wenn die Boote kommen wird die Insel 'überflutet': die Taverne ist voll, die Strände füllen sich,
überall laufen die Leute umher. Am ersten Strand bei der Taverne im Süden und an der 'Golden Beach' im Norden stehen
Sonnenschirme und Liegestühle. Während die Boote da sind muss man bezahlen, wenn man sich auf ihnen niederlässt. Wenn
Nachmittags die Boote wieder abgefahren sind und die Insel 'entvölkert' ist, kann man sich von Geld eintreibendem Personal
unbehelligt einen schönen Platz aussuchen.
Ich lief zunächst an der Südküste Richtung Osten die kleinen Buchten entlang, auch auf der Suche nach einem Platz, an dem ich mich
für die Nacht niederlassen könnte. Die Strände und die dahinterliegenden Sanddünen mit feinem weißen Sand sind wirklich schön,
dennoch war ich nicht ganz happy.
Zunächst war doch recht viel Rummel mit all' den Leuten. Vor allem aber nervte der steife Wind aus dem Norden, und der feine Sand
wird zu einer Plage. So lief ich zunächst eine ganze Weile umher, genehmigte mir ein teueres Dosenbier, das nur massig kühl war.
Dann ging ich rüber zur Golden Beach auf die Nordseite.
Das dauert nicht lange, nur fünf Minuten vom Anleger aus, dann hat man an der schmalsten Stelle die Insel durchquert. Hier wirkte der
Wind aber noch unangenehmer. Dennoch lagen einige Mutige am Strand im Sturm, die Luft war ja schön warm wie auch das Wasser.
Lange hielt ich mich dort aber nicht auf, ging wieder zurück und döste bei einer weiteren Dose Bier vor mich hin. Bei Nordwind ist es in
der Taverne zumindest windstill.
Gegen sechzehn Uhr legten die beiden Boote ab. Die Tagestouristen waren abgereist und plötzlich war die Atmosphäre ganz anders.
Die Stromagregate werden ausgeschaltet, die Kühlschränke summen nicht mehr, die Küche in der Taverne wird geputzt, die beiden
Tische mit den Andenken werden sorgfältig abgedeckt: Feierabend. Die Tavernenleute sitzen zusammen an einem Tisch, auch ein paar
griechische Touristen, die länger auf der Insel bleiben, kommen dann und wann um etwas zu holen. Wer etwas haben möchte, einen
Salat oder etwas zu trinken, kann es durchaus noch bekommen. Ich legte mich auf einen der nun kostenlosen Liegestühle und döste in
den Abend hinein. Ob morgen die Boote trotz des Sturmes wiederkommen, fragte ich mich?
Obwohl hier und da Schilder stehen, die darauf hinweisen, das Camping - vor allem in den Dünen unter den Wachholderbäumen -
verboten ist, stehen überall Zelte. Sie sind aber so weiträumig verteilt, dass sich in der Regel die Nachbarn kaum sehen können.
Eigentlich ein ideales Gelände um zu zelten, wenn man sich entsprechend einrichtet. Viele Zelte waren auch gar nicht bewohnt. Ich
schätze, sie gehören Griechen zum Beispiel aus Ierapátra, die an den Wochenenden herüberkommen. Leider hinterlassen viele Leute
ihren Müll obwohl genügend Abfalleimer am Strand aufgestellt sind.
Sobald es dunkel wurde mümmelte ich mich in meinen Schlafsack ein. Um den Kopf wickelte ich mir ein Tuch, denn obwohl ich mir
einen leidlich windgeschützten Platz ausgesucht hatte, fegten immer wieder Windböen durch meine Mulde und feine Sandfontänen
umwirbelten mich.
Chrisi, 1. August 2000
(c) Klaus Dieter Schley 2000 - 2019