Reiseerinnerungen Der Storybeutel
Kreuz und quer durch Alaska
3.Juni 1998 - Vom Copper River zum Alaska Highway Der Tag weckt mich mit Bilderbuchwetter: eine frische Sonne, blauer Himmel und kristallklare Luft. die frühsommerliche Natur Alaskas leuchtete. Wohin ich heute fahren würde und wie weit ich kommen würde war mir noch nicht klar. Nach dem Frühstück machte ich mich auf den Weg. In Glennallen würde ich auf jeden Fall tanken müssen. Ich rumpelte mit meinem Camper den Weg, den ich tags zuvor gekommen war, zurück und bekam langsam das Gefühl, daß meine Sinne zu schwach waren um die mich umgebende Fülle der Natur wirklich erfassen zu könnte. Mir war, als würde ich in diesem Übermaß ertrinken. Und das ist nicht unbedingt ein befriedigendes Gefühl. Immer wieder halte ich an, setze mich auf einen Stein und schaue: in tiefe Täler, Schluchten, auf schroffe Berge mit ihren Schneekuppen. Ich spüre die frische Luft, die wärmende Sonne und ich lausche. Es ist eine unendliche, geradezu körperlich spürbare Stille die durch das entfernte Rauschen des weit unter mir liegende Flusses und des vereinzelten Zwitscherns der Vögel nur noch unterstrichen wird. Das eigene Atmen verdeutlicht einem die grundsätzliche Verlorenheit in dieser Natur, in der der einzelne Mensch keine Bedeutung hat. Und diese Bedeutungslosigkeit wirkt wie eine Provokation. Man spürt, daß diese Natur sich vollkommen selbst genügt und das sie vom Menschen nichts erwartet und auch nichts zu erwarten hat. In dieser Natur kommt dem Menschen keine Rolle zu außer die, des sich bedingungslosen Unterordnen. Alles, was einem die Zivilisation und das moderne Leben gegeben hat muß man hier vergessen und sich vollkommen ausliefern, wollte man der Natur wenigstens etwas gerecht werden. Doch genau das will ein Tourist, ein Reisender, ein Abenteurer nicht - zumal mit Rückflugticket in der Tasche! Wir kommen um zu erobern. Wir wollen uns Eindrücke und Ansichten schöner Ausblicke einverleiben; wir wollen uns bei Kanufahrten und auf Wandertouren an dieser Natur messen und wir stellen Tieren und Pflanzen nach um sie als Trophäe (und sei es nur als Foto) mit nach Hause zu nehmen. Und wir kommen, weil wir unter einem atavistischen Heimweh leiden. Denn scheint es nicht geradezu Paradox ,das wir modernen Menschen aus unserem Alltag, aus unseren bequemen Städten und Wohnungen in die wilde Natur fliehen um uns in ihr auf irgendeine Weise zu behaupten und dabei vielerlei Anstrengungen und Unbebquemlichkeiten in Kauf nehmen, ja daß diese Anstrengungen es sogar sind, die wir als Beweis für eine erfolgreiche Exkursion geradezu benötigen? Über Jahrhunderte und Jahrtausende haben unsere Vorfahren in einer natürlichen Umwelt einen harten und verlustreichen Überlebenskampf führen müssen und kaum hat es unsere Art geschafft, sich ein gutes Stück von diesen Härten der Natur zu emanzipieren, da fliehen wir zu Tausenden, ja zu Millionen in unsere "alte Heimat" um uns von unserer neuen zu erholen. Ich hatte mir vorgenommen Alaska in drei Wochen kreuz und quer zu durchfahren, so wie es die Straßen und Wege erlaubten, um auf diese Weise an diesem Eroberungsfeldzug teilzunehmen. Zweifelsfrei eine der vielen Möglichkeiten, die in den Prospekten gerade auch für Alaska als Vorteilhaft angepriesen wird. Die Infrastruktur ist entsprechend darauf eingestellt und kein Mensch schaut verwundert, wenn auf abgelegensten Wegen ein Camper oder gar ein Wohnmobil sich durch Schlamm und Schlaglöcher kämpft. Es ist eine geradezu natürliche Art dem Land zu Leibe zu rücken. Ich hatte in Glennallen getankt und steuerte den Wagen auf dem recht gut ausgebauten Glenn Highway Richtung Norden auf Tok zu. Im Südosten erstreckten sich die Berge des Wrangel St. Elias National Park, der Himmel war nahezu wolkenfrei und so brüllte Alaskas Natur mir ihre Schönheit entgegen. Ich aber hockte im Auto und war knatschig. Natürlich kommt es immer wieder auf Reisen vor, das einem die Laune vergeht. Es mag ein äußerer Anlaß sein, wie eine miserable Unterkunft, es mag aber auch, wie in meinem Fall, eine aus verschiedenen Gründen gespeiste Unlust sein, an dem was man macht, die einem an seinem Tun zweifeln läßt. Das Gefühl dem Land und der Natur mit meiner Reiseart nicht gerecht zu werden, verstärkte sich noch, als ich immer wieder Radreisenden begegnete oder sie überholte. Sie spüren die Natur und für sie ist es eine Lust an so einem schönen Tag durch die Landschaft zu fahren und ich erinnerte mich der erhabenen Gefühle, die ich auf Radtouren oder Wanderungen hatte, als ich die Natur körperlich spürte. Nun hockte ich im Auto, spürte nicht die Sonne, roch nicht richtig die Luft, und selbst wenn ich langsam fuhr, nur 30 oder vierzig Meilen die Stunde, sausten Bäume, Lichtungen, Blumen und Felsen so schnell an mir vorbei, das kaum ein wirklich tiefer Eindruck zurückblieb. Am liebsten hätte ich den Camper abgestellt und wäre mit einem Rad weitergefahren. Bei einer bald folgenden Pinkelpause auf einem Parkstreifen löste sich dann doch mein Unmut auf. Ich lief etwas auf und ab und mir wurde klar, wenn man sich eine bestimmte Art einer Reise vorgenommen hatte und einem auf dieser Reise die anderen Möglichkeiten als weitere Alternativen aufdrängen, dieses doch der beste Beweis ist, um mit einer anderen Zielsetzung wieder zukommen. So kam ich mir wie ein Kind vor, das in eine Art Spielzeugparadies gelandet ist und nun nicht mehr weis was es zuerst und zuletzt machen soll. Die knatschige Laune verflog, ich saß im Auto und steuerte auf Slana zu. Im Radio dudelte Musik und dann kamen die Nachrichten. Die Nachrichten eines Provinzsenders bestehen in erster Linie aus Nachrichten aus der Provinz. Dann erfährt man schon mal was im ganzen Staat (USA) los ist und eher selten was irgendwo in der Welt geschehen ist. Doch in dieser Nachrichtensendung kam die Topnachricht mit einer Liveschaltung direkt aus Deutschland, genauer irgendwo bei Hannover. Mehr als ein hundert Tote seien bei einem schweren Zugunglück (in Eschede wie ich später auf der Deutschen Welle) erfuhr ums Leben gekommen. In Slana zweigt ein rund 45 Meilen langer Weg zum nördlichen Teil des Wrangell-Saint Ellias National Park ab. Direkt eine Abzweigung gibt es eine Ranger Station, in der man sich Informationen holen kann. Ich fuhr auf den Parkplatz und schaute mir zunächst die Informationen an, die ich mit hatte. Danach entschied ich den Weg doch nicht zu fahren, also stundenlang durch die Natur zu hoppeln, die ich von der McCarthy Road schon kannte. Mein Ziel stand nun fest, ich wollte nach Norden an den Yukon zu dem Dorf Eagle. Die letzten Meilen vor Tok führt der Glenn Highway durch monotonen Buschwald und mit 55 bzw. 65 Meilen die Stunde treibt der Wagen auf der schnurgeraden Strecke dahin. Als Radfahrer dürfte man diesen Abschnitt wegen der unendlich scheinenden Monotonie als äußerst unatraktiv empfinden. In Tok endete der Glenn Highway. Er mündet in den querrenden Alaska Highway der seinen Anfang im nahen Kanada, in Dawson Creek, nimmt und bis nach Delta Junction führt. Direkt an dieser Mündung befindet sich das große Servicescentrum, mit Einkaufsmöglichkeiten, Bank, Visitor Center, Tankstellen und einer ganzen Reihe von kommerziellen Campgrounds entlang des Highways. Der Alaska Highway schien mir eine relativ stark befahrene Straße, relativ zu den anderen Straßen, wenn auch nicht so stark wie die Straßen um Fairbanks und Anchorage. Doch schon wenige Meilen östlich von Tok zweigt der Taylor Highway ab, eine in den 50er Jahren erbaute, inzwischen stark verbesserte Straße. Schon bald ist auffallend wie anders die Landschaft hier ist, die Berge sind sanfter, es gibt keine Gletscher mehr und also auch kein Gletschermehl und so sind die Flüsse klar, man kann bis auf den Grund schauen. An diesem Tag habe ich reichlich Meilen "gemacht". Bei Meile 81 auf dem Taylor Highway war dann Schluß auf einem einfachen Campground am Fluß Walker. Wie üblich schaute ich mir die nähere Umgebung auf einem Spaziergang an, fünf andere Camper saßen in der milden Abendsonne vor ihren mobilen Heimen und grüßten als ich an ihnen vorbeikam.
(c) Klaus Dieter Schley - 1999 - 2010
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3.Juni 1998 - Vom Copper River zum Alaska Highway Der Tag weckt mich mit Bilderbuchwetter: eine frische Sonne, blauer Himmel und kristallklare Luft. die frühsommerliche Natur Alaskas leuchtete. Wohin ich heute fahren würde und wie weit ich kommen würde war mir noch nicht klar. Nach dem Frühstück machte ich mich auf den Weg. In Glennallen würde ich auf jeden Fall tanken müssen. Ich rumpelte mit meinem Camper den Weg, den ich tags zuvor gekommen war, zurück und bekam langsam das Gefühl, daß meine Sinne zu schwach waren um die mich umgebende Fülle der Natur wirklich erfassen zu könnte. Mir war, als würde ich in diesem Übermaß ertrinken. Und das ist nicht unbedingt ein befriedigendes Gefühl. Immer wieder halte ich an, setze mich auf einen Stein und schaue: in tiefe Täler, Schluchten, auf schroffe Berge mit ihren Schneekuppen. Ich spüre die frische Luft, die wärmende Sonne und ich lausche. Es ist eine unendliche, geradezu körperlich spürbare Stille die durch das entfernte Rauschen des weit unter mir liegende Flusses und des vereinzelten Zwitscherns der Vögel nur noch unterstrichen wird. Das eigene Atmen verdeutlicht einem die grundsätzliche Verlorenheit in dieser Natur, in der der einzelne Mensch keine Bedeutung hat. Und diese Bedeutungslosigkeit wirkt wie eine Provokation. Man spürt, daß diese Natur sich vollkommen selbst genügt und das sie vom Menschen nichts erwartet und auch nichts zu erwarten hat. In dieser Natur kommt dem Menschen keine Rolle zu außer die, des sich bedingungslosen Unterordnen. Alles, was einem die Zivilisation und das moderne Leben gegeben hat muß man hier vergessen und sich vollkommen ausliefern, wollte man der Natur wenigstens etwas gerecht werden. Doch genau das will ein Tourist, ein Reisender, ein Abenteurer nicht - zumal mit Rückflugticket in der Tasche! Wir kommen um zu erobern. Wir wollen uns Eindrücke und Ansichten schöner Ausblicke einverleiben; wir wollen uns bei Kanufahrten und auf Wandertouren an dieser Natur messen und wir stellen Tieren und Pflanzen nach um sie als Trophäe (und sei es nur als Foto) mit nach Hause zu nehmen. Und wir kommen, weil wir unter einem atavistischen Heimweh leiden. Denn scheint es nicht geradezu Paradox ,das wir modernen Menschen aus unserem Alltag, aus unseren bequemen Städten und Wohnungen in die wilde Natur fliehen um uns in ihr auf irgendeine Weise zu behaupten und dabei vielerlei Anstrengungen und Unbebquemlichkeiten in Kauf nehmen, ja daß diese Anstrengungen es sogar sind, die wir als Beweis für eine erfolgreiche Exkursion geradezu benötigen? Über Jahrhunderte und Jahrtausende haben unsere Vorfahren in einer natürlichen Umwelt einen harten und verlustreichen Überlebenskampf führen müssen und kaum hat es unsere Art geschafft, sich ein gutes Stück von diesen Härten der Natur zu emanzipieren, da fliehen wir zu Tausenden, ja zu Millionen in unsere "alte Heimat" um uns von unserer neuen zu erholen. Ich hatte mir vorgenommen Alaska in drei Wochen kreuz und quer zu durchfahren, so wie es die Straßen und Wege erlaubten, um auf diese Weise an diesem Eroberungsfeldzug teilzunehmen. Zweifelsfrei eine der vielen Möglichkeiten, die in den Prospekten gerade auch für Alaska als Vorteilhaft angepriesen wird. Die Infrastruktur ist entsprechend darauf eingestellt und kein Mensch schaut verwundert, wenn auf abgelegensten Wegen ein Camper oder gar ein Wohnmobil sich durch Schlamm und Schlaglöcher kämpft. Es ist eine geradezu natürliche Art dem Land zu Leibe zu rücken. Ich hatte in Glennallen getankt und steuerte den Wagen auf dem recht gut ausgebauten Glenn Highway Richtung Norden auf Tok zu. Im Südosten erstreckten sich die Berge des Wrangel St. Elias National Park, der Himmel war nahezu wolkenfrei und so brüllte Alaskas Natur mir ihre Schönheit entgegen. Ich aber hockte im Auto und war knatschig. Natürlich kommt es immer wieder auf Reisen vor, das einem die Laune vergeht. Es mag ein äußerer Anlaß sein, wie eine miserable Unterkunft, es mag aber auch, wie in meinem Fall, eine aus verschiedenen Gründen gespeiste Unlust sein, an dem was man macht, die einem an seinem Tun zweifeln läßt. Das Gefühl dem Land und der Natur mit meiner Reiseart nicht gerecht zu werden, verstärkte sich noch, als ich immer wieder Radreisenden begegnete oder sie überholte. Sie spüren die Natur und für sie ist es eine Lust an so einem schönen Tag durch die Landschaft zu fahren und ich erinnerte mich der erhabenen Gefühle, die ich auf Radtouren oder Wanderungen hatte, als ich die Natur körperlich spürte. Nun hockte ich im Auto, spürte nicht die Sonne, roch nicht richtig die Luft, und selbst wenn ich langsam fuhr, nur 30 oder vierzig Meilen die Stunde, sausten Bäume, Lichtungen, Blumen und Felsen so schnell an mir vorbei, das kaum ein wirklich tiefer Eindruck zurückblieb. Am liebsten hätte ich den Camper abgestellt und wäre mit einem Rad weitergefahren. Bei einer bald folgenden Pinkelpause auf einem Parkstreifen löste sich dann doch mein Unmut auf. Ich lief etwas auf und ab und mir wurde klar, wenn man sich eine bestimmte Art einer Reise vorgenommen hatte und einem auf dieser Reise die anderen Möglichkeiten als weitere Alternativen aufdrängen, dieses doch der beste Beweis ist, um mit einer anderen Zielsetzung wieder zukommen. So kam ich mir wie ein Kind vor, das in eine Art Spielzeugparadies gelandet ist und nun nicht mehr weis was es zuerst und zuletzt machen soll. Die knatschige Laune verflog, ich saß im Auto und steuerte auf Slana zu. Im Radio dudelte Musik und dann kamen die Nachrichten. Die Nachrichten eines Provinzsenders bestehen in erster Linie aus Nachrichten aus der Provinz. Dann erfährt man schon mal was im ganzen Staat (USA) los ist und eher selten was irgendwo in der Welt geschehen ist. Doch in dieser Nachrichtensendung kam die Topnachricht mit einer Liveschaltung direkt aus Deutschland, genauer irgendwo bei Hannover. Mehr als ein hundert Tote seien bei einem schweren Zugunglück (in Eschede wie ich später auf der Deutschen Welle) erfuhr ums Leben gekommen. In Slana zweigt ein rund 45 Meilen langer Weg zum nördlichen Teil des Wrangell-Saint Ellias National Park ab. Direkt eine Abzweigung gibt es eine Ranger Station, in der man sich Informationen holen kann. Ich fuhr auf den Parkplatz und schaute mir zunächst die Informationen an, die ich mit hatte. Danach entschied ich den Weg doch nicht zu fahren, also stundenlang durch die Natur zu hoppeln, die ich von der McCarthy Road schon kannte. Mein Ziel stand nun fest, ich wollte nach Norden an den Yukon zu dem Dorf Eagle. Die letzten Meilen vor Tok führt der Glenn Highway durch monotonen Buschwald und mit 55 bzw. 65 Meilen die Stunde treibt der Wagen auf der schnurgeraden Strecke dahin. Als Radfahrer dürfte man diesen Abschnitt wegen der unendlich scheinenden Monotonie als äußerst unatraktiv empfinden. In Tok endete der Glenn Highway. Er mündet in den querrenden Alaska Highway der seinen Anfang im nahen Kanada, in Dawson Creek, nimmt und bis nach Delta Junction führt. Direkt an dieser Mündung befindet sich das große Servicescentrum, mit Einkaufsmöglichkeiten, Bank, Visitor Center, Tankstellen und einer ganzen Reihe von kommerziellen Campgrounds entlang des Highways. Der Alaska Highway schien mir eine relativ stark befahrene Straße, relativ zu den anderen Straßen, wenn auch nicht so stark wie die Straßen um Fairbanks und Anchorage. Doch schon wenige Meilen östlich von Tok zweigt der Taylor Highway ab, eine in den 50er Jahren erbaute, inzwischen stark verbesserte Straße. Schon bald ist auffallend wie anders die Landschaft hier ist, die Berge sind sanfter, es gibt keine Gletscher mehr und also auch kein Gletschermehl und so sind die Flüsse klar, man kann bis auf den Grund schauen. An diesem Tag habe ich reichlich Meilen "gemacht". Bei Meile 81 auf dem Taylor Highway war dann Schluß auf einem einfachen Campground am Fluß Walker. Wie üblich schaute ich mir die nähere Umgebung auf einem Spaziergang an, fünf andere Camper saßen in der milden Abendsonne vor ihren mobilen Heimen und grüßten als ich an ihnen vorbeikam.
(c) Klaus Dieter Schley - 1999 - 2010