Reiseerinnerungen Der Storybeutel
Kreuz und quer durch Alaska
11. Juni 98 - Ein Industriegebiet an der Eiskante: Prudhoe Bay Die Sonne scheint! Es sind zwar noch reichlich Wolken vorhanden, aber von Regen ist keine Spur mehr. Die Nacht habe ich nicht sonderlich gut geschlafen, es war sehr kalt. Heute früh habe ich mir die kraus stehenden Haare etwas gespült. Ein Hubschrauber fliegt die Pipline ab und transportiert irgend etwas in die Berge, wahrscheinlich zu einer Relaisstaion. Gegen Mittag: Links unendliche Tundra, rechts die "Franklin Bluffs", laut Schild kurz vor der Parkfläche, auf der ich stehe und mir ein zweites Frühstück gönne. Es sind noch rund 40 Meilen bis Deadhorse. Immer wieder Karibus rechts und links der Straße, die deutlich sichtbar die warme Sonne genießen. Die Karribus bleiben ruhig solange man fährt. Bleibt man aber stehen ist deutlich erkennbar, wie Unruhe aufkommt und sich die Tiere zurück ziehen. Vom Norden kommen mir reichlich Trucks entgegen, - die haben wohl ein Tor aufgemacht und lassen die Herde los... Punkt 12.00 Uhr habe ich mein zweites Frühstück beendet. Ein Truck hat sich in meiner Nähe abgestellt. Schaut aus, als wolle der Fahrer erst eine Runde pennen. Nach hunderten Kilometer Fahrt durch die Wildnis gen Norden zeichnet sich am Horizont hinter flimmernder Luft das Ziel ab: die Ölförderanlagen bei Prudhoe Bay. Davor der Ort Deadhorse mit Flugplatz und unzähligen Baracken, Werkstätten, Firmengebäuden die zumeist auf Stelzen errichtet sind um nicht in den Permafrostboden "einzutauen". Ich sitze in meinem Camper und fahre durch diesen Ort des Ölgeschäftes. Jeder erkennt mich sofort als ein Tourist, doch niemand beachtet mich, warum auch. Touristen "verirren" sich in den Sommermonaten regelmäßig an diesen Ort um, ja, um was? Um umzudrehen und wieder in den Süden zu fahren! Der Dalton Highway ist eine Sackgasse zum nördlichen Ende Alaskas an der Eiskante. Hier kann man nur noch umdrehen, man kann auch in einem Hotel oder Motel übernachten unter all' den Leuten des Ölgeschäftes, man kann eine Postkarte auf dem Postamt aufgeben, etwas in einem Laden einkaufen kann man; man kann sich zu einer Besichtigungstour der Förderanlagen anmelden und tanken soll man können, habe ich gelesen. Ich bin in diesen Ort gefahren vor allem um zu tanken. Tatsächlich hängt irgendwo ein Hinweisschild zu einer Tankstelle oder so etwas. Doch finde ich nichts. Viele bekannte internationale Firmenamen finde ich, die auf Tafeln vor den Baracken stehen. Alle haben irgendwie etwas mit der Förderung von Öl zu tun, nur eine Tanke finde ich nicht, verdammt wo gibt's hier Sprit? Plötzlich vor einer weiteren Firmenbürobaracke eine kleine Bude mit einem Zapfhahn davor. An diesen Zapfhahn stelle ich mich. Das ganze hat vom Aussehen her nichts mit einer öffentlichen Tanke zu tun, zumindest nicht in den USA oder? Niemand ist zu sehen, ich gehe in die Bürobaracke. Gleich um die Ecke die Rezeption. Die junge Frau telefoniert, privat, zumindest ist das Gespräch jetzt privater Natur. Im Hintergrund dudelt ein Radio, die Kaffeemaschine blubbert, es ist gut geheizt. Stimmen sind ein paar Türen weiter zu hören. Eine Tür geht auf, ein Mann wechselt mit einem Stapel Papiere in ein anderes Büro auf der gegenüberliegenden Seite des schmalen Ganges. Ich warte. Ein weitere Mann kommt in die Baracke, grüßt die junge Frau und fragt mich, ob etwas sei. Ich sag nö, der Mann geht weiter und verschwindet in einem Büro. Endlich beendet die gute Frau ihr Gespräch. Tanken? Kein Problem. Sie erklärt mir wies geht. Ich kann auch mit Kreditkarte zahlen. Ich gehe in die kleine Bude wo sich alles befindet. Die Kreditkartenkiste, der Hebel für die Pumpe, der Wahlschalter für die Spritsorte. Es dauert eine Weile bis meine Karte autorisiert ist. Die junge Frau steht plötzlich in der Tür und fragt, ob ich klar komme. Klar komme ich klar, danke. Sie mahnt mich anschließend die Tür zu schließen und auf jeden Fall die Pumpe abzustellen. Dann verschwindet sie wieder in ihr warmes Büro. Ist schließlich kein T-shirt-Wetter, trotz Sonnenschein und sie hat nur ein T-Shirt an. Diese seltsame Tanke war weitaus preisgünstiger als die in Yukon. Auf der Rückfahrt verirre ich mich kurz und wäre beinahe auf der Landebahn des Flughafens geraten, wenn ich nicht das kleine Hinweisschild rechtzeitig gesehen hätte. Die Landebahn selbst tauchte zwischen den Baracken plötzlich auf. Nach gut einer Stunde Aufenthalt in Deadhorst verlasse ich dieses Industriegebiet wieder in südlicher Richtung. Rechts und Links und vor mir eine unendliche Ebene unter blauem Himmel. Die Eiskante habe ich nicht gesehen. Da kommt man nicht hin, allenfalls im Rahmen einer Führung durch die Förderanlagen. Auf den Seen in und vor Deadhorst schwimmen noch dicke Eispanzer. Viele dieser Binnenseen - oder Teiche dienen zur Trinkwasserversorgung. An einem dieser Seen entdecke ich den Mann, der bei Yukon mit seinem Camper versackt war. Sein Camper steht wieder am Straßenrand, während er in hüfthohen Stiefeln durch den Morast um die Seen umherstiefelt und mit einer dicken Kamera die Vögel fotografiert oder filmt. Den Platz zur Übernachtung nehme ich bei Meile 350 am Fluß Sagavanitok. Die Pipline ist an dieser Stelle unterirdisch verlegt um die Wanderungen der Karribus nicht zu behindern. Zum Fluß führt ein rund einhundert Meter langer befestigter Weg, an dessen Ende ich mich aufstelle. Hier ist das Donnern der Trucks kaum zu vernehmen, dafür rauscht der noch gut zur Hälfte mit dickem Eis bedeckte Fluß. Immer wieder bersten mit krachenden Geräusch so laut wie Sprengungen diese Meter dicken Eispanzer. Eine Weile sitze ich im Windschatten des Autos in der milden Sonne. Es ist ca. 15°C warm, sechs Uhr abends und ein kalter Wind zieht übers Land. Wäre dieser leichte Wind nicht würde es richtig warm werden, aber im Windschatten stört er nicht. Das Licht ist zauberhaft. Im Süden über den Bergen dicke weiße Wolken, die hell leuchten, um mich herum leicht wellige Hügel. Es ist wunderbar schön und ich fühle mich sauwohl. Um die Miternachststunde mache ich einen rund einstündigen Spaziergang auf einen der nahen Hügel. Doch leichter gesagt als getan. Schaut das Gelände von weitem einfach zu begehen, aus entpuppt sich das als ein großer Irrtum, stampft man erst zwischen den zwanzig und dreißig Zentimeter hohen Moshügel und Steinen. Ständig versinken die Schuhe, steht der Fuß extrem schief. Alles gibt tief nach und federt. In den Senken, vor allem bei der Straße, steht das Gelände unter Schmelzwasser, was wegen des Gras- und Moosbewuchs nichts sofort erkennbar ist. Inzwischen sind nur noch sechs Grad C. Es ist tief in der Nacht und die Sonne steht noch deutlich über dem Horizont. Eine seltsame Stimmung. Der Körper sagt einem, es ist Nacht, du bist Müde, geh' schlafen. Doch es ist hell, taghell, wenn auch eine seltsame Stille über allem liegt. Nur hier und dort flattert eine Ente auf, der Fluß rauscht als wache er gerade mit diesem Rauschen über diese tagnächtliche Ruhe. Wieder zurück, stehe ich noch eine Weile in der Nähe meines Campers, schaue und lausche. Irgendwann schreckt mich aus der Ferne ein herannahender Truck aus meiner meditativen Versunkenheit und ich verkrieche mich in meine Koje. Ich ziehe die Gardinen fest zu, es soll dunkel sein, ich will schlafen und ich schlafe tief und gut.
(c) Klaus Dieter Schley - 1999 - 2010
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11. Juni 98 - Ein Industriegebiet an der Eiskante: Prudhoe Bay Die Sonne scheint! Es sind zwar noch reichlich Wolken vorhanden, aber von Regen ist keine Spur mehr. Die Nacht habe ich nicht sonderlich gut geschlafen, es war sehr kalt. Heute früh habe ich mir die kraus stehenden Haare etwas gespült. Ein Hubschrauber fliegt die Pipline ab und transportiert irgend etwas in die Berge, wahrscheinlich zu einer Relaisstaion. Gegen Mittag: Links unendliche Tundra, rechts die "Franklin Bluffs", laut Schild kurz vor der Parkfläche, auf der ich stehe und mir ein zweites Frühstück gönne. Es sind noch rund 40 Meilen bis Deadhorse. Immer wieder Karibus rechts und links der Straße, die deutlich sichtbar die warme Sonne genießen. Die Karribus bleiben ruhig solange man fährt. Bleibt man aber stehen ist deutlich erkennbar, wie Unruhe aufkommt und sich die Tiere zurück ziehen. Vom Norden kommen mir reichlich Trucks entgegen, - die haben wohl ein Tor aufgemacht und lassen die Herde los... Punkt 12.00 Uhr habe ich mein zweites Frühstück beendet. Ein Truck hat sich in meiner Nähe abgestellt. Schaut aus, als wolle der Fahrer erst eine Runde pennen. Nach hunderten Kilometer Fahrt durch die Wildnis gen Norden zeichnet sich am Horizont hinter flimmernder Luft das Ziel ab: die Ölförderanlagen bei Prudhoe Bay. Davor der Ort Deadhorse mit Flugplatz und unzähligen Baracken, Werkstätten, Firmengebäuden die zumeist auf Stelzen errichtet sind um nicht in den Permafrostboden "einzutauen". Ich sitze in meinem Camper und fahre durch diesen Ort des Ölgeschäftes. Jeder erkennt mich sofort als ein Tourist, doch niemand beachtet mich, warum auch. Touristen "verirren" sich in den Sommermonaten regelmäßig an diesen Ort um, ja, um was? Um umzudrehen und wieder in den Süden zu fahren! Der Dalton Highway ist eine Sackgasse zum nördlichen Ende Alaskas an der Eiskante. Hier kann man nur noch umdrehen, man kann auch in einem Hotel oder Motel übernachten unter all' den Leuten des Ölgeschäftes, man kann eine Postkarte auf dem Postamt aufgeben, etwas in einem Laden einkaufen kann man; man kann sich zu einer Besichtigungstour der Förderanlagen anmelden und tanken soll man können, habe ich gelesen. Ich bin in diesen Ort gefahren vor allem um zu tanken. Tatsächlich hängt irgendwo ein Hinweisschild zu einer Tankstelle oder so etwas. Doch finde ich nichts. Viele bekannte internationale Firmenamen finde ich, die auf Tafeln vor den Baracken stehen. Alle haben irgendwie etwas mit der Förderung von Öl zu tun, nur eine Tanke finde ich nicht, verdammt wo gibt's hier Sprit? Plötzlich vor einer weiteren Firmenbürobaracke eine kleine Bude mit einem Zapfhahn davor. An diesen Zapfhahn stelle ich mich. Das ganze hat vom Aussehen her nichts mit einer öffentlichen Tanke zu tun, zumindest nicht in den USA oder? Niemand ist zu sehen, ich gehe in die Bürobaracke. Gleich um die Ecke die Rezeption. Die junge Frau telefoniert, privat, zumindest ist das Gespräch jetzt privater Natur. Im Hintergrund dudelt ein Radio, die Kaffeemaschine blubbert, es ist gut geheizt. Stimmen sind ein paar Türen weiter zu hören. Eine Tür geht auf, ein Mann wechselt mit einem Stapel Papiere in ein anderes Büro auf der gegenüberliegenden Seite des schmalen Ganges. Ich warte. Ein weitere Mann kommt in die Baracke, grüßt die junge Frau und fragt mich, ob etwas sei. Ich sag nö, der Mann geht weiter und verschwindet in einem Büro. Endlich beendet die gute Frau ihr Gespräch. Tanken? Kein Problem. Sie erklärt mir wies geht. Ich kann auch mit Kreditkarte zahlen. Ich gehe in die kleine Bude wo sich alles befindet. Die Kreditkartenkiste, der Hebel für die Pumpe, der Wahlschalter für die Spritsorte. Es dauert eine Weile bis meine Karte autorisiert ist. Die junge Frau steht plötzlich in der Tür und fragt, ob ich klar komme. Klar komme ich klar, danke. Sie mahnt mich anschließend die Tür zu schließen und auf jeden Fall die Pumpe abzustellen. Dann verschwindet sie wieder in ihr warmes Büro. Ist schließlich kein T-shirt-Wetter, trotz Sonnenschein und sie hat nur ein T-Shirt an. Diese seltsame Tanke war weitaus preisgünstiger als die in Yukon. Auf der Rückfahrt verirre ich mich kurz und wäre beinahe auf der Landebahn des Flughafens geraten, wenn ich nicht das kleine Hinweisschild rechtzeitig gesehen hätte. Die Landebahn selbst tauchte zwischen den Baracken plötzlich auf. Nach gut einer Stunde Aufenthalt in Deadhorst verlasse ich dieses Industriegebiet wieder in südlicher Richtung. Rechts und Links und vor mir eine unendliche Ebene unter blauem Himmel. Die Eiskante habe ich nicht gesehen. Da kommt man nicht hin, allenfalls im Rahmen einer Führung durch die Förderanlagen. Auf den Seen in und vor Deadhorst schwimmen noch dicke Eispanzer. Viele dieser Binnenseen - oder Teiche dienen zur Trinkwasserversorgung. An einem dieser Seen entdecke ich den Mann, der bei Yukon mit seinem Camper versackt war. Sein Camper steht wieder am Straßenrand, während er in hüfthohen Stiefeln durch den Morast um die Seen umherstiefelt und mit einer dicken Kamera die Vögel fotografiert oder filmt. Den Platz zur Übernachtung nehme ich bei Meile 350 am Fluß Sagavanitok. Die Pipline ist an dieser Stelle unterirdisch verlegt um die Wanderungen der Karribus nicht zu behindern. Zum Fluß führt ein rund einhundert Meter langer befestigter Weg, an dessen Ende ich mich aufstelle. Hier ist das Donnern der Trucks kaum zu vernehmen, dafür rauscht der noch gut zur Hälfte mit dickem Eis bedeckte Fluß. Immer wieder bersten mit krachenden Geräusch so laut wie Sprengungen diese Meter dicken Eispanzer. Eine Weile sitze ich im Windschatten des Autos in der milden Sonne. Es ist ca. 15°C warm, sechs Uhr abends und ein kalter Wind zieht übers Land. Wäre dieser leichte Wind nicht würde es richtig warm werden, aber im Windschatten stört er nicht. Das Licht ist zauberhaft. Im Süden über den Bergen dicke weiße Wolken, die hell leuchten, um mich herum leicht wellige Hügel. Es ist wunderbar schön und ich fühle mich sauwohl. Um die Miternachststunde mache ich einen rund einstündigen Spaziergang auf einen der nahen Hügel. Doch leichter gesagt als getan. Schaut das Gelände von weitem einfach zu begehen, aus entpuppt sich das als ein großer Irrtum, stampft man erst zwischen den zwanzig und dreißig Zentimeter hohen Moshügel und Steinen. Ständig versinken die Schuhe, steht der Fuß extrem schief. Alles gibt tief nach und federt. In den Senken, vor allem bei der Straße, steht das Gelände unter Schmelzwasser, was wegen des Gras- und Moosbewuchs nichts sofort erkennbar ist. Inzwischen sind nur noch sechs Grad C. Es ist tief in der Nacht und die Sonne steht noch deutlich über dem Horizont. Eine seltsame Stimmung. Der Körper sagt einem, es ist Nacht, du bist Müde, geh' schlafen. Doch es ist hell, taghell, wenn auch eine seltsame Stille über allem liegt. Nur hier und dort flattert eine Ente auf, der Fluß rauscht als wache er gerade mit diesem Rauschen über diese tagnächtliche Ruhe. Wieder zurück, stehe ich noch eine Weile in der Nähe meines Campers, schaue und lausche. Irgendwann schreckt mich aus der Ferne ein herannahender Truck aus meiner meditativen Versunkenheit und ich verkrieche mich in meine Koje. Ich ziehe die Gardinen fest zu, es soll dunkel sein, ich will schlafen und ich schlafe tief und gut.
(c) Klaus Dieter Schley - 1999 - 2010