5. Juni 98 - Zurück zur Dusche nach Tok
Um acht Uhr reißen die Wolken auf, die Sonne kommt durch. Wie schön das Licht zwischen den nassen
Bäumen flirrt. Ich laufe noch einmal in den Ort, an dem Flugplatz vorbei. Immer wieder wird eine Maschine für
den Start vorbereitet, hoppelt kurz über die Grasbahn, hebt ab und verschwindet über die Weite der Landschaft.
Mir scheint, der Flugverkehr mit den kleinen Maschinen ist hier bedeutender als der Straßenverkehr.
Im Postamt hole ich mir Briefmarken und sende die Postkarten ab. Sie werden gut eine Woche unterwegs sein.
Eine Weile sitze ich auf einer Bank direkt über dem Yukonufer. Anfang des Jahrhunderts war Polarforscher
Amundsen aus dem Norden gekommen um im kleinen Telegrafenamt von Eagle seine Entdeckung der
Nordwestpassage der Welt mitzuteilen. Im Ortszentrum gibt es dazu ein Denkmal. Unangenehmes jucken über
dem Rand meiner Schuhe fällt mir langsam auf. Dort haben die Mücken bislang unbemerkt ihr Betätigungsfeld
gefunden und einen "Pickelring" geschaffen. Die Stelle werde ich also verstärkt mit Schutzmittel einreiben
müssen.
Um die Mittagszeit verlasse ich Eagle mit dem Ziel Tok. Am Ortsausgang tanke ich noch einmal. Ein schlacksiger
junger Mann bedient mich und fragt gleich, woher ich komme. Aus Deutschland, ah, nicht so gut! Wieviel kostet
der Sprit dort? Rund ein Dollar der Liter?! Viel zu teuer, alles nur Taxe! Und "Guns" - Waffen - kann man auch
nicht kaufen. Eine Regierung, die ihren Leuten verbietet sich zu bewaffnen, ist eine schlechte Regierung, erklärt
er mir. Sie hat Angst vor den Leuten und will sie nur unterdrücken. Ich muß mit Bargeld bezahlen, mit einer
Kreditkarte kann er nichts anfangen. Dann führt er mich zu seinem Chef, der in der Werkstatt sitzt. Der gute
Mann hat einen "Nugat", einen kleinen flachen "Goldklumpen" an einer Kette um den Hals hängen. Das
ansehnliche Ding habe er selbst gefunden, erklärt er mir und ich schätze, daß das Ding gut 1000 Dollar wert sein
dürfte. Ja, Gold kann man hier in der Gegend noch immer finden, und jagen kann man auch, so viel man
möchte. Wieder im Auto erinnere ich mich der Information, das Regierungsleute angeblich in diesem
abgelegenen Ort nicht gern gesehen sind, vor allem wenn sie etwas von Umwelt, genauer Naturschutz erzählen.
Den ganzen Nachmittag treibe ich die rund 160 Meilen über die Piste auf Tok zu. Schon weit vorher probiere ich
das Radio aus und freue mich einen Sender empfangen zu können, der angenehme Popmusik dudelt. Am
frühen Abend erreiche ich Tok und miete mich auf den Tok RV Villlage Campground ein, für 18$ die Nacht. Ich
bekomme eine Codenummer gesagt, mit der ich das elektronische Nummernschloß an den Duschräumen öffnen
kann. Die Dusche ist auch der Grund, warum ich einen kommerziellen Campground aufsuche, denn attraktiv
sind diese Abstellplätze mit Bucht an Bucht, wie auf einem Parkplatz, nicht gerade. An diesem Abend lege ich
mich früh in die Koje.
(c) Klaus Dieter Schley - 1999 - 2010