Reiseerinnerungen Der Storybeutel
Kreuz und quer durch Alaska
31. Mai 98 - Die McCarthy Road Cooper Center liegt zwischen Glennallen und der Abfahrt zur McCarty Road. Der Ort ist winzig und war an diesem Sonntag Vormittag wie ausgestorben. Ich drehte eine Runde und hielt vor der Tanksäule nahe des Ortseinganges. Die Frau im Laden erklärte mir, ich solle tanken und ihr dann den Preis sagen. Vertrauen ist etwas das in Alaska zählt. Vertrauen darauf, daß die Leute nicht schummeln und auf den Cent genau den Betrag angeben, den sie dreißig Meter weit vom Laden entfernt an der Säule schuldig geworden sind. Es kommt keiner und kontrolliert, auch nicht bei einem Fremden wie mich, der zudem Ausländer ist. Es gibt auch andere Tanksäulen. Dort muß man erst zahlen oder sich mit einer Kreditkarte autorisieren. In der Säule gibt es ein Lesegerät und man wartet bis die Karte gecheckt ist und dann kann man tanken, der Betrag wird abgebucht. In Cooper Center zahlte ich ebenfalls mit der Karte, aber an der Kasse, nachdem ich der Frau den Betrag genannt hatte. Dann gab es einen Kaffee. Kaffee steht in Tankstellen oft bereit für die Kunden, zur freien Verfügung, wer mag nimmt sich. Und dann folgt noch ein kleines Schwätzchen: woher, wohin; nach McCarthy, oh, das sei wunderbar. Eine sehr schöne Strecke, sie mag sie sehr. Der Weg ist o.k., keine Probleme und mit etwas Glück könne ich Tiere beobachte, Bären am Wegrand, Lachse in den Flüssen. Vom Richardson Highway bis nach McCarthy sind es rund 150 km. Kurz nachdem man den Richardson verlassen hat eröffnet sich ein phantastisches Panorama über ein breite Tal und den Bergen dahinter. Liniealgerade zieht sich die Straße durch die Ebene. Abzweigungen mit Briefkästen, sowie einzelne Hütten und Höfe zeigen, daß die Gegend hier "ganz weit draußen" relativ dicht besiedelt ist. Sogar eine Schule gab es. In meiner Karte heißt der Ort - der sich über viele Meilen erstreckt - "Lower Tonsina". An etlichen Grundstücken und Hütten stand aber auch das Schild "For sale". Über die geteerte Straße geht es weiter auf Chitina zu. Bevor ich diesen Ort erreichte, hielt mir ein "Flag-Girl" ihr Stopschild entgegen. Flag-Girls sind zwar nicht immer Frauen, manchmal wird dieser Job auch von einem Mann ausgeführt, dann ist es halt ein "Flag-Boy". An diesem Sonntag war es ein Flag-Girl. Die Bauarbeiten ruhen also auch an einem heiligen Sonntag nicht, und das in einem Land, in dem es - wie überhaupt in den USA - reichlich Kirchengemeinden gibt und das Radio "voll" ist von religiösen Sendungen. Ich hätte Pech, erklärte mir die gute Frau, der Konvoi sei gerade abgefahren und nun dürfte es wohl zwanzig bis dreißig Minuten dauern bis ich weiter könne. Diese Zeit nutzte ich um etwas über mein Ziel zu lesen. Hinter mir baute sich unterdessen ein Stau von fünf Fahrzeugen auf. In der Nähe von McCarthy gibt es die alte Kennicott-Mine. Sie wurde 1938 stillgelegt. Kupfer wurde in der Mine abgebaut und um dieses Kupfer abzutransportieren wurde die Copper River- Bahn in die Wildnis geschlagen, auf deren alten Bahndamm nun für Autos eine Zufahrtsmöglichkeit in eine Region besteht, die manche mit dem weltberühmten Denali Nationalpark vergleichen, nur mit dem Unterschied, daß der Wrangell- St. Elias National Park nicht so besucht ist wie der Denali. Nach knapp einer halben Stunde ging es weiter, ich folgte dem Pilot und die Baustelle zog sich bis zu Chitina, dem letzten "Ort" vor McCarthy mit etwa fünfzig Einwohner. Ein paar windschiefe Holzhäuser waren zu erkennen und wenn der Ort durch den Straßenbau nicht beherrscht worden wäre, hätte ich angehalten und mich mal umgeschaut. So bin ich aber gleich weitergefahren. Direkt am Ortsausgang beginnt die eigentliche McCarthy- Road. Sicher, die Straße war rau. Teilweise sind nur zehn, zwanzig Meilen pro Stunde drin. Aber sie ist nicht problematisch. Ein paar Stunden braucht man für die Strecke wenn man durch vorsichtige Fahrweise den Wagen und vor allem die Reifen schonen möchte. Immer wieder finden sich am Wegrand Reifenreste. Der Bahndamm war kaum noch erkennbar, von Nägeln keine Spur. Zudem bieten sich reichlich Gelegenheiten, die abenteuerliche Landschaft in Ruhe anzuschauen. Dann kam die 100 m tiefe Kuskulana-Schlucht über die 1910 eine schmale Eisenbahnbrücke gebaut wurde. Seit zehn Jahren hat sie ein niedriges Geländer und einen richtigen Bodenbelag. Vorher mußte die Fahrt mit dem Auto über die Brücke schon ein kleines Abenteuer gewesen sein. Auch jetzt ist es für einen Moment ein kribbeliges Gefühl den Wagen auf diese schmale Brücke über dem Abgrund zu steuern. Auf der anderen Seite hielt ich und schaute mir das Ding von unten an, das heißt vom Rand der steilwandigen Schlucht. Mächtige Holzstämme stützen die Brücke. Verdammt rau sei die Straße fluchte der Mann, der inzwischen ebenfalls auf der östlichen Schluchtseite parkte. Er hatte auch einen Camper, aber kein Allradantrieb und nur normale Pkw Reifen. Das geht, ist aber sicher schwere als mit dem Wagen, den ich fuhr. In McCarthy traf ich den Mann später wieder. Er hockte neben seinem Auto und hantierte an den Reifen herum. Die alte Brücke über den Gilahina River ist zum Teil eingestürzt. Es ist eine jener gigantischen Holzkonstruktionen, die mit Vorliebe in so manchen Western gesprengt werden und zwar gerade dann, wenn ein Zug dampfend und pfeifend die Mitte der Brücke erreicht hat. Die zahlreichen Holzverstrebungen platzen dann immer eindrucksvoll - und mehr in Zeitlupe als in realer Zeit - auseinander. Die neue Straßenbrücke ist dagegen unspektakulär: aus Beton gegossen und gerade zehn Meter lang über den kleinen, wenn auch reißenden Fluß gespannt. Um soweit unten am Fluß zu queren mußte man natürlich erst in das Tal hinabfahren. Die McCarthy-Road endet am Kennicott River auf einem Parkplatz. Fünf Dollar kostet das Parken, die Übernachtung auf dem einfachen Campground zehn Dollar. Ich meldete mich für zwei Nächte an. Mein erster Eindruck war enttäuschend. Es herrschte reger Betrieb, der Campground wurde von gut einem Dutzend Autowracks, zum Teil ausgeschlachtet, gesäumt, eine Baumaschine lärmte auf dem Parkplatz um diesen zu erweitern, es war Sonntag. Und weil Sonntag war gab es viele Wochendausflügler, die sich nun aber auf die Heimreise machten. Tatsächlich war mir der rege Gegenverkehr schon Stunden zuvor aufgefallen: durchschnittlich alle zehn Minuten begegnete mir ein Fahrzeug. Nach einem ersten Rundgang setzte ich mich in meinem Klappstuhl in die Sonne und ließ sie mir angenehm auf den Pelz brennen. Ende Mai, Anfang Juni gibt es noch nicht so viele Insekten, vor allem Mücken und kleine Beißfliegen, die einem die Laune verderben können. Von meinem Platz konnte ich rüber zur schmalen Fußgängerbrücke schauen. Noch vor wenigen Jahren wurde der Copper River mit der "Tram" überquert, einer Miniseilbahn. Mit Körperkraft zog man sich an dem Stahlseil über die beiden Flußarme. Wer jetzt mit Gepäck rüber will um in McCarthy oder in Kennicott in eine der beiden Lodges (Bed & Breakfast) zu übernachten, hat es einfacher. Man geht über die Brücke, das Gepäck auf eine Schubkarre und auf der anderen Seite wartet ein kleiner Bus oder ein Pickup um den Besucher abzuholen. Diese Fahrzeuge sind wohl weiter Flußabwärts bei niedrigem Wasserstand oder im Winter über den Kennicott gekommen. Die dunkelroten Gebäude der alten Mine leuchteten gut sichtbar in der Abendsonne an den Berghängen. Unterhalb der Mine war die mächtige Gletscherzunge des Root-Gletschers, der zu einem der größten nichtpolaren Eisfelder der Erde gehört, zu sehen. Ich hatte mir vorgenommen am nächsten Tag den Ort bei einer kleinen Wanderung aufzusuchen.
(c) Klaus Dieter Schley - 1999 - 2010
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31. Mai 98 - Die McCarthy Road Cooper Center liegt zwischen Glennallen und der Abfahrt zur McCarty Road. Der Ort ist winzig und war an diesem Sonntag Vormittag wie ausgestorben. Ich drehte eine Runde und hielt vor der Tanksäule nahe des Ortseinganges. Die Frau im Laden erklärte mir, ich solle tanken und ihr dann den Preis sagen. Vertrauen ist etwas das in Alaska zählt. Vertrauen darauf, daß die Leute nicht schummeln und auf den Cent genau den Betrag angeben, den sie dreißig Meter weit vom Laden entfernt an der Säule schuldig geworden sind. Es kommt keiner und kontrolliert, auch nicht bei einem Fremden wie mich, der zudem Ausländer ist. Es gibt auch andere Tanksäulen. Dort muß man erst zahlen oder sich mit einer Kreditkarte autorisieren. In der Säule gibt es ein Lesegerät und man wartet bis die Karte gecheckt ist und dann kann man tanken, der Betrag wird abgebucht. In Cooper Center zahlte ich ebenfalls mit der Karte, aber an der Kasse, nachdem ich der Frau den Betrag genannt hatte. Dann gab es einen Kaffee. Kaffee steht in Tankstellen oft bereit für die Kunden, zur freien Verfügung, wer mag nimmt sich. Und dann folgt noch ein kleines Schwätzchen: woher, wohin; nach McCarthy, oh, das sei wunderbar. Eine sehr schöne Strecke, sie mag sie sehr. Der Weg ist o.k., keine Probleme und mit etwas Glück könne ich Tiere beobachte, Bären am Wegrand, Lachse in den Flüssen. Vom Richardson Highway bis nach McCarthy sind es rund 150 km. Kurz nachdem man den Richardson verlassen hat eröffnet sich ein phantastisches Panorama über ein breite Tal und den Bergen dahinter. Liniealgerade zieht sich die Straße durch die Ebene. Abzweigungen mit Briefkästen, sowie einzelne Hütten und Höfe zeigen, daß die Gegend hier "ganz weit draußen" relativ dicht besiedelt ist. Sogar eine Schule gab es. In meiner Karte heißt der Ort - der sich über viele Meilen erstreckt - "Lower Tonsina". An etlichen Grundstücken und Hütten stand aber auch das Schild "For sale". Über die geteerte Straße geht es weiter auf Chitina zu. Bevor ich diesen Ort erreichte, hielt mir ein "Flag-Girl" ihr Stopschild entgegen. Flag-Girls sind zwar nicht immer Frauen, manchmal wird dieser Job auch von einem Mann ausgeführt, dann ist es halt ein "Flag-Boy". An diesem Sonntag war es ein Flag-Girl. Die Bauarbeiten ruhen also auch an einem heiligen Sonntag nicht, und das in einem Land, in dem es - wie überhaupt in den USA - reichlich Kirchengemeinden gibt und das Radio "voll" ist von religiösen Sendungen. Ich hätte Pech, erklärte mir die gute Frau, der Konvoi sei gerade abgefahren und nun dürfte es wohl zwanzig bis dreißig Minuten dauern bis ich weiter könne. Diese Zeit nutzte ich um etwas über mein Ziel zu lesen. Hinter mir baute sich unterdessen ein Stau von fünf Fahrzeugen auf. In der Nähe von McCarthy gibt es die alte Kennicott-Mine. Sie wurde 1938 stillgelegt. Kupfer wurde in der Mine abgebaut und um dieses Kupfer abzutransportieren wurde die Copper River- Bahn in die Wildnis geschlagen, auf deren alten Bahndamm nun für Autos eine Zufahrtsmöglichkeit in eine Region besteht, die manche mit dem weltberühmten Denali Nationalpark vergleichen, nur mit dem Unterschied, daß der Wrangell- St. Elias National Park nicht so besucht ist wie der Denali. Nach knapp einer halben Stunde ging es weiter, ich folgte dem Pilot und die Baustelle zog sich bis zu Chitina, dem letzten "Ort" vor McCarthy mit etwa fünfzig Einwohner. Ein paar windschiefe Holzhäuser waren zu erkennen und wenn der Ort durch den Straßenbau nicht beherrscht worden wäre, hätte ich angehalten und mich mal umgeschaut. So bin ich aber gleich weitergefahren. Direkt am Ortsausgang beginnt die eigentliche McCarthy-Road. Sicher, die Straße war rau. Teilweise sind nur zehn, zwanzig Meilen pro Stunde drin. Aber sie ist nicht problematisch. Ein paar Stunden braucht man für die Strecke wenn man durch vorsichtige Fahrweise den Wagen und vor allem die Reifen schonen möchte. Immer wieder finden sich am Wegrand Reifenreste. Der Bahndamm war kaum noch erkennbar, von Nägeln keine Spur. Zudem bieten sich reichlich Gelegenheiten, die abenteuerliche Landschaft in Ruhe anzuschauen. Dann kam die 100 m tiefe Kuskulana- Schlucht über die 1910 eine schmale Eisenbahnbrücke gebaut wurde. Seit zehn Jahren hat sie ein niedriges Geländer und einen richtigen Bodenbelag. Vorher mußte die Fahrt mit dem Auto über die Brücke schon ein kleines Abenteuer gewesen sein. Auch jetzt ist es für einen Moment ein kribbeliges Gefühl den Wagen auf diese schmale Brücke über dem Abgrund zu steuern. Auf der anderen Seite hielt ich und schaute mir das Ding von unten an, das heißt vom Rand der steilwandigen Schlucht. Mächtige Holzstämme stützen die Brücke. Verdammt rau sei die Straße fluchte der Mann, der inzwischen ebenfalls auf der östlichen Schluchtseite parkte. Er hatte auch einen Camper, aber kein Allradantrieb und nur normale Pkw Reifen. Das geht, ist aber sicher schwere als mit dem Wagen, den ich fuhr. In McCarthy traf ich den Mann später wieder. Er hockte neben seinem Auto und hantierte an den Reifen herum. Die alte Brücke über den Gilahina River ist zum Teil eingestürzt. Es ist eine jener gigantischen Holzkonstruktionen, die mit Vorliebe in so manchen Western gesprengt werden und zwar gerade dann, wenn ein Zug dampfend und pfeifend die Mitte der Brücke erreicht hat. Die zahlreichen Holzverstrebungen platzen dann immer eindrucksvoll - und mehr in Zeitlupe als in realer Zeit - auseinander. Die neue Straßenbrücke ist dagegen unspektakulär: aus Beton gegossen und gerade zehn Meter lang über den kleinen, wenn auch reißenden Fluß gespannt. Um soweit unten am Fluß zu queren mußte man natürlich erst in das Tal hinabfahren. Die McCarthy-Road endet am Kennicott River auf einem Parkplatz. Fünf Dollar kostet das Parken, die Übernachtung auf dem einfachen Campground zehn Dollar. Ich meldete mich für zwei Nächte an. Mein erster Eindruck war enttäuschend. Es herrschte reger Betrieb, der Campground wurde von gut einem Dutzend Autowracks, zum Teil ausgeschlachtet, gesäumt, eine Baumaschine lärmte auf dem Parkplatz um diesen zu erweitern, es war Sonntag. Und weil Sonntag war gab es viele Wochendausflügler, die sich nun aber auf die Heimreise machten. Tatsächlich war mir der rege Gegenverkehr schon Stunden zuvor aufgefallen: durchschnittlich alle zehn Minuten begegnete mir ein Fahrzeug. Nach einem ersten Rundgang setzte ich mich in meinem Klappstuhl in die Sonne und ließ sie mir angenehm auf den Pelz brennen. Ende Mai, Anfang Juni gibt es noch nicht so viele Insekten, vor allem Mücken und kleine Beißfliegen, die einem die Laune verderben können. Von meinem Platz konnte ich rüber zur schmalen Fußgängerbrücke schauen. Noch vor wenigen Jahren wurde der Copper River mit der "Tram" überquert, einer Miniseilbahn. Mit Körperkraft zog man sich an dem Stahlseil über die beiden Flußarme. Wer jetzt mit Gepäck rüber will um in McCarthy oder in Kennicott in eine der beiden Lodges (Bed & Breakfast) zu übernachten, hat es einfacher. Man geht über die Brücke, das Gepäck auf eine Schubkarre und auf der anderen Seite wartet ein kleiner Bus oder ein Pickup um den Besucher abzuholen. Diese Fahrzeuge sind wohl weiter Flußabwärts bei niedrigem Wasserstand oder im Winter über den Kennicott gekommen. Die dunkelroten Gebäude der alten Mine leuchteten gut sichtbar in der Abendsonne an den Berghängen. Unterhalb der Mine war die mächtige Gletscherzunge des Root-Gletschers, der zu einem der größten nichtpolaren Eisfelder der Erde gehört, zu sehen. Ich hatte mir vorgenommen am nächsten Tag den Ort bei einer kleinen Wanderung aufzusuchen.
(c) Klaus Dieter Schley - 1999 - 2010