Reiseerinnerungen Der Storybeutel
Kreuz und quer durch Alaska
4.Juni 98 - Taylor Highway nach Eagle am Yukon In der Region um die Meile 86 auf dem Taylor Highway haben Ungeheuer die Erde im Flußraum aufgewühlt und auffällige Geröllwürmer hinterlassen. In einer Kurve hinter grünen Bäumen liegt so ein verrecktes Monstrum und kann besichtigt werden. Es ist die "Jack Wade Dredge", ein ehemals schwimmender Fabrikkasten. Mit dröhnenden Schaufeln an riesigen Ketten wurde einst der Kies aus dem Fluß in diesen Kasten gerafft. Im Inneren wurde das Gold aus dem Kies gewaschen und gleich weiterverarbeitet. Der Abraum wurde nach hinten ausgespien und das ganze Ding fraß sich auf diese weise durch die Landschaft bis eines Tages an der Stelle Schluß war, wo man sie heute in einer Kurve direkt unter einer Anhöhe finden kann. Die Eingänge waren mit Eisengitter versperrt um neugierige Touristen von den im Inneren lauernden Gefahren abzuhalten. Allerdings vergeblich, denn an einer Stelle ist dieses Gitter so weit aufgebogen das man hineinschlüpfen kann - was ich auch sogleich tat. Die Atmosphäre ist schon eigenartig. Das schummerige Tageslicht zeigt einem eine Unzahl von seltsamen Gerätschaften, ein tiefes Loch klafft in der Mitte und irgendwo draußen singt ein Vogel, ansonsten herrscht totenstille. Die Straße windet sich im weiteren Verlauf auf eine Höhe von 1050 Meter wo sie sich bei Meile 96 verzweigt. Geradeaus geht es nach Kanada (Dawson City) und links ab geht es nach Eagle, meinem Reiseziel für diesen Tag. War die Straße bislang noch "relativ" stark befahren, so fährt man jetzt auf einer wirklich einsamen Piste. Der höchste Punkt beträgt etwa 1200 Meter. Bei Meile 105, hoch in den welligen Bergen hielt ich an. Bevor ich mir ein zweites Frühstück leisten wollte packte ich mich warm ein und lief ein gutes Stück über einen matschigen Weg auf einem Hügel zu. Dieser Weg ist der Beginn eines der vielen "Wintertrails", die man überall in Alaskas Wildnis, vor allem im "flacheren" Norden Alaskas findet und die nach "irgendwo" führen. In der warmen Jahreszeit sind diese Wege oft über weite Strecken schwer oder gar nicht passierbar, weil sie einen tiefen Fluß queren oder durch sumpfiges Gelände führen. Im Winter aber kommt man auf diesen Wegen, wenn alles gefroren ist, sicher gut voran. Von dem Hügel gibt es eine wunderbare Aussicht über die weite, wellige Landschaft, die im Norden zum Yukon-Tal bei Eagle absinkt. Die Schotterpiste schlängelt sich wie ein dünner Faden durch das Strauch und Buschgebiet. Autos sind in der Ferne an ihrer Staubfahne zu erkennen. Als ich wieder zurück war und gerade an meinem Kaffee schlabberte, fuhr plötzlich ein Pickup mit einem auffallenden Schild an mir vorbei: "Bus follow" stand auf diesem Schild. Und tatsächlich dauerte es knapp fünf Minuten, bis ein großer Reisebus direkt neben mir auf dem Parkstreifen zu stehen kam. Er entließ eine Schar Amerikaner in "gutem" Rentenalter, die sich ihre Beine vertraten, fotografierten (erst sich, dann die Landschaft), auf die Hügel schauten, Karten studierten, Blümchen pflückten oder in Gruppen zusammenstanden und sich unterhielten, während die ersten schon wieder in den Bus stiegen und nach rund zehn Minuten war der Spuk vorbei, nur noch das Geräusch des Windes, der sich an meinem Camper rieb und immer wieder die Kiste leicht schaukelte, war zu vernehmen. Eagle ist Ausflugsziel dieser Bustouren. Da die Piste aber teilweise so schmal ist und die Ränder nicht befahren werden können, wenn man nicht in die Natur versinken möchte oder weil Felsen den Weg begrenzen, fährt in gehörigem Abstand ein Pickup voraus um zu warnen und einem so die Gelegenheit zu geben, sich an günstiger Stelle an den Rand zu stellen und auf den Bus zu warten. Bei Meile 143, rund 1100 Meter hoch auf dem "American Summit" liegt in vollkommener Einsamkeit am Rande der Straße ein Liquor Store! In meinem Reiseführer wurde schon darauf hingewiesen und so stand für mich fest, dort oben ein Sixpack Bier zu erstehen. Tatsächlich gab es in dem winzigen Laden "Alaska Amber" zu 9$ . Neben dem Store wurden gerade ein paar Lodges gebaut für Gäste, die in dieser Einsamkeit ihre Seele baumeln lassen wollen (oder die einfach keine Lust mehr haben weiter zu fahren). Eagle erreichte ich Mittags bei bedeckten Himmel der nach Regen aussah. Den Wagen stellte ich im Ortszentrum gegenüber der alten Windmühle ab, die noch heute zur Wasserversorgung genutzt wird. Bauarbeiter hatten die Straße davor aufgebudelte und hantierten an Rohren herum während in der alten Blockhütte daneben jemand auf seiner Gitarre übte und zwar so gut, das ich eine Weile im Auto bei geöffneten Fenster saß und das Konzert des Unbekannten lauschte, bevor ich mich aufmachte um einen ersten Blick auf den Yukon zu werfen. Breit und gemächlich liegt der braun-graue Strom in seinem von der unberührten Natur gesäumten Bett. Der erste Eindruck des Ortes war so angenehm, das ich mir vorstellen konnte, hier ein paar Tage zu bleiben um die Atmosphäre zu genießen. Eagle entstand während des großen Yukon-Goldrausches ab 1880 und hatte zeitweise 1700 Einwohner. Heute leben kaum hundert Leute in dem Ort. Um für Ordnung in diesem "Wilden Norden" zu sorgen, entstand das "Fort Egbert", von dem es noch einige Gebäude gibt, die zu einem Museum umgebaut sind und sich direkt am Ende einer Graslandebahn des örtlichen Flugplatzes befinden. Dahinter liegt ein bewaldeter Hügel mit dem Campingplatz Modell "Self Register". Am späten Nachmittag begann es leicht zu regnen. Nach dem Abendessen war ich noch eine Weile draußen und lief ein Stück auf dem "Eagle trail" entlang, bis der Pfad regelrecht versumpfte. Der Weg hat eine Länge von 57 Meilen und bietet die Möglichkeit ein gutes Stück in die Wildnis zu wandern. Wenn man den gleichen Weg nicht wieder zurück will muß man sich mit dem Flugzeug abholen lassen. Derartige Touren lassen sich für entsprechende Dollars im Ort organisieren. Wieder zurück stellte ich fest, das ich doch nicht die Nacht alleine auf diesem schönen Campingplatz verbringen würde. "Irgend jemand" war noch gekommen, ein Auto stand da, ein Zelt war aufgebaut. Niemand aber war zu sehen, es regnete inzwischen fein weg und ich verkrümelte mich in meinen Camper wo Postkarten schrieb und noch etwas las.
(c) Klaus Dieter Schley - 1999 - 2010
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4.Juni 98 - Taylor Highway nach Eagle am Yukon In der Region um die Meile 86 auf dem Taylor Highway haben Ungeheuer die Erde im Flußraum aufgewühlt und auffällige Geröllwürmer hinterlassen. In einer Kurve hinter grünen Bäumen liegt so ein verrecktes Monstrum und kann besichtigt werden. Es ist die "Jack Wade Dredge", ein ehemals schwimmender Fabrikkasten. Mit dröhnenden Schaufeln an riesigen Ketten wurde einst der Kies aus dem Fluß in diesen Kasten gerafft. Im Inneren wurde das Gold aus dem Kies gewaschen und gleich weiterverarbeitet. Der Abraum wurde nach hinten ausgespien und das ganze Ding fraß sich auf diese weise durch die Landschaft bis eines Tages an der Stelle Schluß war, wo man sie heute in einer Kurve direkt unter einer Anhöhe finden kann. Die Eingänge waren mit Eisengitter versperrt um neugierige Touristen von den im Inneren lauernden Gefahren abzuhalten. Allerdings vergeblich, denn an einer Stelle ist dieses Gitter so weit aufgebogen das man hineinschlüpfen kann - was ich auch sogleich tat. Die Atmosphäre ist schon eigenartig. Das schummerige Tageslicht zeigt einem eine Unzahl von seltsamen Gerätschaften, ein tiefes Loch klafft in der Mitte und irgendwo draußen singt ein Vogel, ansonsten herrscht totenstille. Die Straße windet sich im weiteren Verlauf auf eine Höhe von 1050 Meter wo sie sich bei Meile 96 verzweigt. Geradeaus geht es nach Kanada (Dawson City) und links ab geht es nach Eagle, meinem Reiseziel für diesen Tag. War die Straße bislang noch "relativ" stark befahren, so fährt man jetzt auf einer wirklich einsamen Piste. Der höchste Punkt beträgt etwa 1200 Meter. Bei Meile 105, hoch in den welligen Bergen hielt ich an. Bevor ich mir ein zweites Frühstück leisten wollte packte ich mich warm ein und lief ein gutes Stück über einen matschigen Weg auf einem Hügel zu. Dieser Weg ist der Beginn eines der vielen "Wintertrails", die man überall in Alaskas Wildnis, vor allem im "flacheren" Norden Alaskas findet und die nach "irgendwo" führen. In der warmen Jahreszeit sind diese Wege oft über weite Strecken schwer oder gar nicht passierbar, weil sie einen tiefen Fluß queren oder durch sumpfiges Gelände führen. Im Winter aber kommt man auf diesen Wegen, wenn alles gefroren ist, sicher gut voran. Von dem Hügel gibt es eine wunderbare Aussicht über die weite, wellige Landschaft, die im Norden zum Yukon-Tal bei Eagle absinkt. Die Schotterpiste schlängelt sich wie ein dünner Faden durch das Strauch und Buschgebiet. Autos sind in der Ferne an ihrer Staubfahne zu erkennen. Als ich wieder zurück war und gerade an meinem Kaffee schlabberte, fuhr plötzlich ein Pickup mit einem auffallenden Schild an mir vorbei: "Bus follow" stand auf diesem Schild. Und tatsächlich dauerte es knapp fünf Minuten, bis ein großer Reisebus direkt neben mir auf dem Parkstreifen zu stehen kam. Er entließ eine Schar Amerikaner in "gutem" Rentenalter, die sich ihre Beine vertraten, fotografierten (erst sich, dann die Landschaft), auf die Hügel schauten, Karten studierten, Blümchen pflückten oder in Gruppen zusammenstanden und sich unterhielten, während die ersten schon wieder in den Bus stiegen und nach rund zehn Minuten war der Spuk vorbei, nur noch das Geräusch des Windes, der sich an meinem Camper rieb und immer wieder die Kiste leicht schaukelte, war zu vernehmen. Eagle ist Ausflugsziel dieser Bustouren. Da die Piste aber teilweise so schmal ist und die Ränder nicht befahren werden können, wenn man nicht in die Natur versinken möchte oder weil Felsen den Weg begrenzen, fährt in gehörigem Abstand ein Pickup voraus um zu warnen und einem so die Gelegenheit zu geben, sich an günstiger Stelle an den Rand zu stellen und auf den Bus zu warten. Bei Meile 143, rund 1100 Meter hoch auf dem "American Summit" liegt in vollkommener Einsamkeit am Rande der Straße ein Liquor Store! In meinem Reiseführer wurde schon darauf hingewiesen und so stand für mich fest, dort oben ein Sixpack Bier zu erstehen. Tatsächlich gab es in dem winzigen Laden "Alaska Amber" zu 9$ . Neben dem Store wurden gerade ein paar Lodges gebaut für Gäste, die in dieser Einsamkeit ihre Seele baumeln lassen wollen (oder die einfach keine Lust mehr haben weiter zu fahren). Eagle erreichte ich Mittags bei bedeckten Himmel der nach Regen aussah. Den Wagen stellte ich im Ortszentrum gegenüber der alten Windmühle ab, die noch heute zur Wasserversorgung genutzt wird. Bauarbeiter hatten die Straße davor aufgebudelte und hantierten an Rohren herum während in der alten Blockhütte daneben jemand auf seiner Gitarre übte und zwar so gut, das ich eine Weile im Auto bei geöffneten Fenster saß und das Konzert des Unbekannten lauschte, bevor ich mich aufmachte um einen ersten Blick auf den Yukon zu werfen. Breit und gemächlich liegt der braun-graue Strom in seinem von der unberührten Natur gesäumten Bett. Der erste Eindruck des Ortes war so angenehm, das ich mir vorstellen konnte, hier ein paar Tage zu bleiben um die Atmosphäre zu genießen. Eagle entstand während des großen Yukon-Goldrausches ab 1880 und hatte zeitweise 1700 Einwohner. Heute leben kaum hundert Leute in dem Ort. Um für Ordnung in diesem "Wilden Norden" zu sorgen, entstand das "Fort Egbert", von dem es noch einige Gebäude gibt, die zu einem Museum umgebaut sind und sich direkt am Ende einer Graslandebahn des örtlichen Flugplatzes befinden. Dahinter liegt ein bewaldeter Hügel mit dem Campingplatz Modell "Self Register". Am späten Nachmittag begann es leicht zu regnen. Nach dem Abendessen war ich noch eine Weile draußen und lief ein Stück auf dem "Eagle trail" entlang, bis der Pfad regelrecht versumpfte. Der Weg hat eine Länge von 57 Meilen und bietet die Möglichkeit ein gutes Stück in die Wildnis zu wandern. Wenn man den gleichen Weg nicht wieder zurück will muß man sich mit dem Flugzeug abholen lassen. Derartige Touren lassen sich für entsprechende Dollars im Ort organisieren. Wieder zurück stellte ich fest, das ich doch nicht die Nacht alleine auf diesem schönen Campingplatz verbringen würde. "Irgend jemand" war noch gekommen, ein Auto stand da, ein Zelt war aufgebaut. Niemand aber war zu sehen, es regnete inzwischen fein weg und ich verkrümelte mich in meinen Camper wo Postkarten schrieb und noch etwas las.
(c) Klaus Dieter Schley - 1999 - 2010