Reiseerinnerungen Der Storybeutel
Kreuz und quer durch Alaska
28. Mai 98 - Ein 34 Stunden Tag Die Boeing 767 startet von Köln/Bonn um 13.45 Uhr und landet um 13.15 Uhr am gleichen Tag in Anchorage. Dieser Tag würde ein vierunddreißig Stundentag werden.. Als ich endlich in der Koje meines für drei Wochen gemieteten Pickup-Campers lag, konnte ich noch eine gute Weile den Reisebeginn an mir vorbeiziehen lassen, denn obwohl ich müde war, war ich zur gleichen Zeit auch wieder munter, war es doch in Deutschland bereits Freitagvormittag. Meine Alaskareise begann mit einem vorhergesehenen Stau in Osnabrück. Der IC sollte um 8.40 Uhr fahren, also machte ich mich rechtzeitig auf dem Weg, denn Ursache des Staus waren Baustellen und der morgendliche Berufsverkehr. Doch so schlimm wurde es dann doch nicht und so war ich schon eine halbe Stunde vor Abfahrt da. Rechtzeitig um die Ansage mit zu bekommen, dass der Zug mindestens 30 Minuten Verspätung hatte! Das kurze Zeit darauf die Ansage freundlich wie um Verständnis bittend von fünfzig bis sechzig Minuten sprach, ließ mich am Bahnsteig auf einer Bank neben meinem Rucksack sinken und langsam aber sicher schmollen. Fängt ja gut an! Zum Glück hatte ich mir einen Zug früher ausgesucht um mehr als pünktlich am Flughafen zu sein, denn Erfahrungen mit den Verspätungen hatte ich in all' den Jahren meiner Reisen schon genug gesammelt. Auf meinem Heimatbahnhof dürfte ich insgesamt schon viele Stunden auf dieses altehrwürdige Verkehrsmittel im Eurocitylook gewartet haben, um in die Ferne zu gelangen. Knapp eine Stunde Verspätung, ich konnte etwas lesen, ich konnte aber auch einen Kaffee in der Halle trinken. "Bei der Verkäuferin gibt es die Münzen, die dann in den Automaten gesteckt werden", erklärte mir ein Gast im Stehcafe. Auch die Verkäuferin erklärte die Bedienung nochmals. Ist es auf Reisen nicht angenehm, wenn einem freundliche Menschen erklären wie man zu seinem Ziel kommt? Oftmals konnte ich diese Erfahrung schon in den verschiedenen Ländern machen. So hatte ich in der Halle meines Heimatbahnhofs plötzlich das Gefühl, als wäre ich schon sehr weit weg. Endlich kam der Zug. Insgesamt waren es vierzig Minuten Verspätung, die ein Lockschaden verursacht hatte. Das diese Misslichkeit nichts war gegenüber dem, was Tage darauf andere Fahrgäste der Bahn erleiden sollten, und von dem ich aus dem Autoradio (eines Regionalsenders) beim durchqueren der Wildnis in Alaska erfuhr, lässt den Beginn meiner Reise zu einer der kleinen Episoden schmelzen, die zwar zum Wesen einer Reise gehören, die aber nicht die Welt sind. Wie sehen die Menschen aus, und wie sind sie gekleidet, die am Checkin-Schalter stehen und in eine ferne Region reisen wollen? Kann man ihnen ansehen wohin sie wollen und wie sie sich vorstellen, was sie am Ziel erwarten wird? Geht es nach Mallorca oder auf die Kanarischen Inseln wird der eine oder andere seine Erwartungen durch sommerliche Kleidung wie T-Shirt und kurzer Hose zum Ausdruck bringen - und mag das Wetter in Deutschland auch noch so winterlich sein. Meiner Annahme, daß nur wenige Kinder, nur weniger ältere Menschen, dafür vor allem Männer mittleren Alters (mit Bart) die Reisegesellschaft auf diesem Flug ausmachen würden, wurde bestätigt sowie ich am Schalter stand. Cowboyhüte sowie Trapperhemden konnte ich allerdings nicht ausmachen (die sah ich erst auf der Rückreise). Angel Ausrüstungen waren dagegen sehr viel zu sehen und auch qualitativ hochwertige wetterfeste Kleidungsstücke konnte ich hier und dar erkennen. In einem Reiseführer steht, man solle sich so kleiden, daß man sich bei Bedarf - gleich einer Zwiebel, einer Schale nach der anderen entledigen konnte, das heißt, je wärmer es wird, desto mehr legt man ab. So bestanden meine Zwiebelschalen aus einem T-Shirt, einem langärmeligen Hemd, einem leichten Pullover sowie zuletzt einer guten Regenjacke. In den folgenden drei Wochen sollte ich diese Kombination schätzen lernen. Von Köln aus geht es in Richtung Hamburg über Dänemark, Bergen in Norwegen, dann zur Nordküste Grönlands über das Eismeer und nur ein paar hundert Kilometer südlich des Nordpols weiter über die Arktisküste Alaskas, über Fairbanks auf Anchorage zu. Ich hatte keinen Fensterplatz sondern einen Platz in der mittleren Reihe der Maschine. Die beiden anderen Sitze der Reihe waren frei, so das ich mich ausbreiten konnte. Die Maschinen war sowieso nicht ganz ausgebucht. Der Flug dauerte rund neun Stunden. Überraschend schnell vergingen diese Stunden. Es gab die übliche Zeremonie der Bewirtung und es gab zwei amerikanische Unterhaltungsfilme. Zudem gab es ein Video, in dem erklärt wurde, wie man die Einreisekarte auszufüllen hat. Grundsätzlichen habe ich auf Reisen ein Buch dabei um ggf. lesen zu können. Doch schaute ich nicht lange in das Buch. Die leichte Spannung auf das, was mich in den kommenden Wochen erwarten würde, ließ nicht die rechte Lust aufkommen mich in das Buch zu vertiefen. Also ließ ich mich ihn die seichte Traumwelt Hollywoods verführen und döste dem Ziel entgegen. Ich bin überzeugt, das in jedem anderen Land dieser Welt ein anderer Lebensrhythmus herrscht als in Deutschland. Also auch in Alaska. Deutlich ist das auch im Straßenverkehr zu erkennen. Die zurückhaltende und höfliche Fahrweise ist unmittelbar spürbar. Auch scheinen die Alaskaner ruhiger und gelassener zu sein als viele Deutsche. Die Gepäckstücke tröpfelten auf das Fließband und es dauerte eine gute Weile bis ich meinen Rucksack in Empfang nehmen konnte. Mich empfing milde Luft, eine klare Sonne und im Südosten zum greifen Nahe die schroffen Flanken der Chugach Mountains: weitestgehend unberührte Wildnis, die in Anchorage hinein schaute. Die Berge waren teilweise noch mit Schnee bedeckt und kräftige, weiße Wolken setzten sich auf ihre Gipfel. Wir hätten wohl schönes Wetter aus Deutschland mitgebracht, sagte der junge Mann, der mich und noch drei andere Kunden der Verleihfirma direkt vom Flughafen abholte. Denn die ganze Zeit wäre es sehr kühl gewesen und nun sei es plötzlich von einen auf den anderen Tag sommerlich. In Deutschland war Mitternacht vorbei. Ich stand unterdessen unter der hellen Sonne Alaskas auf dem kleinen Hof der Verleihfirma an der West International Airport Road und ließ mir die Funktionsweise des Campers, den ich für drei Wochen gemietet hatte, erklären. Es war ein Ford, Pickup 4WD, also Allradantrieb mit einem Camperaufbau auf der Ladefläche, in dem es eine kleine Küche mit Spülbecken, Kühlbox, einer Sitzecke und einer Koje, groß genug für zwei Personen, gab. Eine Propangasheizung gehörte zur Ausrüstung wie ein zwei Flammenkocher mit zwei Kartuschen und ein ausreichend groß bemessener Tank für Frischwasser. Kochgeschirr konnte man für $35 zusätzlich mieten, ich hatte meines im Rucksack; aber zwei Klappstühle - um mal bequem draußen sitzen zu können - für $5 ließ ich mir geben. Automatikgetrieb bin ich nicht gewohnt und so fuchtelte von Beginn an mein linker Fuß orientierungslos im Fußraum umher, auf der Suche nach Beschäftigung. Dies, ebenso wie die Tatsache nun müde zu werden bewirkte, daß ich das Grundstück gleich in die falsche Richtung verließ und eine Weile von einem Highway auf den nächsten wechselte, dabei froh war in Alaska/USA und nicht in Deutschland auf den Straßen fremd zu sein, bis ich auf dem weiten Parkplatz eines großen Einkaufszentrums zum stehen kam. Denn Proviant brauchte ich ja auch noch bevor ich mich in nördlicher Richtung davon machen konnte. Einkaufszentrum ist Einkaufszentrum in Deutschland oder in Alaska. Die Preise sind nicht sonderlich auffallend, auch nicht für frische Früchte aus südlichen Regionen des Globus, die Auswahl schien mir aber größer als in einem vergleichsweise deutschen Laden (zumindest in diesem Einkaufszentrum). So befanden sich in einem Regal mindestens ein Dutzend verschiedener Olivensorten, nicht nur aus Amerika/Florida sondern auch aus Europa/Spanien. Und es lief relativ viel Personal herum das immer wieder fragte ob es helfen könne, wenn man einen Moment suchend (oder wie ich, irgendwie von der Reise benommen) in einer Regalreihe stand. Waren das die berühmt-berüchtigten Billigjober? Wieder beim Auto spürte ich die Sonne brennen. Es war bestes T-Shirtwetter. Im Auto sitzend wurde ich erst jetzt gewahr, das ich einen funkelnagelneuen Wagen fuhr, gerade 154 Meilen standen auf seinem Tacho. Nach dieser Einkaufspause schaffte ich es den richtigen Highway zu finden, mein linker Fuß beruhigte sich und nicht lange dauerte es, bis ich Anchorage in nördlicher Richtung auf dem George Parks Highway verließ. Das Gebiet ist noch recht dicht besiedelt (für Alaskaverhältnisse) und die Verkehrsdichte auf der großzügig ausgebauten Straße relativ hoch. Bei Meile 26 zweigte ich ab, auf eine Nebenstraße die am Rande des Chugach State Park auf Palmer zuführt. Weit wollte ich nicht fahren, irgendwo wollte ich den Tag beschließen, aber wo? Einen genauen Plan hatte ich schon nicht mehr im Kopf, also trieb ich im mäßigen Tempo dahin, auf einer Straße, die kaum befahren wurde. Auf der Nordseite des Eklutna River, direkt neben der Brücke, befand sich ein großes ebenes Gelände mit groben Kies zwischen einzelnen Bäumen. Ein idealer Platz um zur Ruhe zu kommen. "Nicht schießen" stand auf einem Schild an der Zufahrt zu diesem naturbelassenen "Parkplatz". Ein Camper hatte sich schon an das Flußufer gestellt. Ich zog es vor etwas mehr landeinwärts zu stehen. Ich machte mir etwas zu essen, packte meinen Rucksack aus und verteilte die Sachen in die einzelnen Schränke, suchte eine ganze Weile meinen Reisepaß (hatte ich ihn in Anchorage liegen lassen, das darf doch nicht war sein!), fand ihn endlich unter dem Fahrersitz genau an der Stelle, die am schlechtesten einsehbar war und kam endlich um elf Uhr herum zum liegen - bei noch hellem Tageslicht. Da hier nicht geschossen werden durfte, sollte es ja wohl eine ruhige Nacht werden, nur der Fluß rauschte und manchmal jaulte ein Truck über die Brücke.
(c) Klaus Dieter Schley - 1999 - 2010
Reiseerinnerungen Der Storybeutel
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28. Mai 98 - Ein 34 Stunden Tag Die Boeing 767 startet von Köln/Bonn um 13.45 Uhr und landet um 13.15 Uhr am gleichen Tag in Anchorage. Dieser Tag würde ein vierunddreißig Stundentag werden.. Als ich endlich in der Koje meines für drei Wochen gemieteten Pickup- Campers lag, konnte ich noch eine gute Weile den Reisebeginn an mir vorbeiziehen lassen, denn obwohl ich müde war, war ich zur gleichen Zeit auch wieder munter, war es doch in Deutschland bereits Freitagvormittag. Meine Alaskareise begann mit einem vorhergesehenen Stau in Osnabrück. Der IC sollte um 8.40 Uhr fahren, also machte ich mich rechtzeitig auf dem Weg, denn Ursache des Staus waren Baustellen und der morgendliche Berufsverkehr. Doch so schlimm wurde es dann doch nicht und so war ich schon eine halbe Stunde vor Abfahrt da. Rechtzeitig um die Ansage mit zu bekommen, dass der Zug mindestens 30 Minuten Verspätung hatte! Das kurze Zeit darauf die Ansage freundlich wie um Verständnis bittend von fünfzig bis sechzig Minuten sprach, ließ mich am Bahnsteig auf einer Bank neben meinem Rucksack sinken und langsam aber sicher schmollen. Fängt ja gut an! Zum Glück hatte ich mir einen Zug früher ausgesucht um mehr als pünktlich am Flughafen zu sein, denn Erfahrungen mit den Verspätungen hatte ich in all' den Jahren meiner Reisen schon genug gesammelt. Auf meinem Heimatbahnhof dürfte ich insgesamt schon viele Stunden auf dieses altehrwürdige Verkehrsmittel im Eurocitylook gewartet haben, um in die Ferne zu gelangen. Knapp eine Stunde Verspätung, ich konnte etwas lesen, ich konnte aber auch einen Kaffee in der Halle trinken. "Bei der Verkäuferin gibt es die Münzen, die dann in den Automaten gesteckt werden", erklärte mir ein Gast im Stehcafe. Auch die Verkäuferin erklärte die Bedienung nochmals. Ist es auf Reisen nicht angenehm, wenn einem freundliche Menschen erklären wie man zu seinem Ziel kommt? Oftmals konnte ich diese Erfahrung schon in den verschiedenen Ländern machen. So hatte ich in der Halle meines Heimatbahnhofs plötzlich das Gefühl, als wäre ich schon sehr weit weg. Endlich kam der Zug. Insgesamt waren es vierzig Minuten Verspätung, die ein Lockschaden verursacht hatte. Das diese Misslichkeit nichts war gegenüber dem, was Tage darauf andere Fahrgäste der Bahn erleiden sollten, und von dem ich aus dem Autoradio (eines Regionalsenders) beim durchqueren der Wildnis in Alaska erfuhr, lässt den Beginn meiner Reise zu einer der kleinen Episoden schmelzen, die zwar zum Wesen einer Reise gehören, die aber nicht die Welt sind. Wie sehen die Menschen aus, und wie sind sie gekleidet, die am Checkin- Schalter stehen und in eine ferne Region reisen wollen? Kann man ihnen ansehen wohin sie wollen und wie sie sich vorstellen, was sie am Ziel erwarten wird? Geht es nach Mallorca oder auf die Kanarischen Inseln wird der eine oder andere seine Erwartungen durch sommerliche Kleidung wie T-Shirt und kurzer Hose zum Ausdruck bringen - und mag das Wetter in Deutschland auch noch so winterlich sein. Meiner Annahme, daß nur wenige Kinder, nur weniger ältere Menschen, dafür vor allem Männer mittleren Alters (mit Bart) die Reisegesellschaft auf diesem Flug ausmachen würden, wurde bestätigt sowie ich am Schalter stand. Cowboyhüte sowie Trapperhemden konnte ich allerdings nicht ausmachen (die sah ich erst auf der Rückreise). Angel Ausrüstungen waren dagegen sehr viel zu sehen und auch qualitativ hochwertige wetterfeste Kleidungsstücke konnte ich hier und dar erkennen. In einem Reiseführer steht, man solle sich so kleiden, daß man sich bei Bedarf - gleich einer Zwiebel, einer Schale nach der anderen entledigen konnte, das heißt, je wärmer es wird, desto mehr legt man ab. So bestanden meine Zwiebelschalen aus einem T-Shirt, einem langärmeligen Hemd, einem leichten Pullover sowie zuletzt einer guten Regenjacke. In den folgenden drei Wochen sollte ich diese Kombination schätzen lernen. Von Köln aus geht es in Richtung Hamburg über Dänemark, Bergen in Norwegen, dann zur Nordküste Grönlands über das Eismeer und nur ein paar hundert Kilometer südlich des Nordpols weiter über die Arktisküste Alaskas, über Fairbanks auf Anchorage zu. Ich hatte keinen Fensterplatz sondern einen Platz in der mittleren Reihe der Maschine. Die beiden anderen Sitze der Reihe waren frei, so das ich mich ausbreiten konnte. Die Maschinen war sowieso nicht ganz ausgebucht. Der Flug dauerte rund neun Stunden. Überraschend schnell vergingen diese Stunden. Es gab die übliche Zeremonie der Bewirtung und es gab zwei amerikanische Unterhaltungsfilme. Zudem gab es ein Video, in dem erklärt wurde, wie man die Einreisekarte auszufüllen hat. Grundsätzlichen habe ich auf Reisen ein Buch dabei um ggf. lesen zu können. Doch schaute ich nicht lange in das Buch. Die leichte Spannung auf das, was mich in den kommenden Wochen erwarten würde, ließ nicht die rechte Lust aufkommen mich in das Buch zu vertiefen. Also ließ ich mich ihn die seichte Traumwelt Hollywoods verführen und döste dem Ziel entgegen. Ich bin überzeugt, das in jedem anderen Land dieser Welt ein anderer Lebensrhythmus herrscht als in Deutschland. Also auch in Alaska. Deutlich ist das auch im Straßenverkehr zu erkennen. Die zurückhaltende und höfliche Fahrweise ist unmittelbar spürbar. Auch scheinen die Alaskaner ruhiger und gelassener zu sein als viele Deutsche. Die Gepäckstücke tröpfelten auf das Fließband und es dauerte eine gute Weile bis ich meinen Rucksack in Empfang nehmen konnte. Mich empfing milde Luft, eine klare Sonne und im Südosten zum greifen Nahe die schroffen Flanken der Chugach Mountains: weitestgehend unberührte Wildnis, die in Anchorage hinein schaute. Die Berge waren teilweise noch mit Schnee bedeckt und kräftige, weiße Wolken setzten sich auf ihre Gipfel. Wir hätten wohl schönes Wetter aus Deutschland mitgebracht, sagte der junge Mann, der mich und noch drei andere Kunden der Verleihfirma direkt vom Flughafen abholte. Denn die ganze Zeit wäre es sehr kühl gewesen und nun sei es plötzlich von einen auf den anderen Tag sommerlich. In Deutschland war Mitternacht vorbei. Ich stand unterdessen unter der hellen Sonne Alaskas auf dem kleinen Hof der Verleihfirma an der West International Airport Road und ließ mir die Funktionsweise des Campers, den ich für drei Wochen gemietet hatte, erklären. Es war ein Ford, Pickup 4WD, also Allradantrieb mit einem Camperaufbau auf der Ladefläche, in dem es eine kleine Küche mit Spülbecken, Kühlbox, einer Sitzecke und einer Koje, groß genug für zwei Personen, gab. Eine Propangasheizung gehörte zur Ausrüstung wie ein zwei Flammenkocher mit zwei Kartuschen und ein ausreichend groß bemessener Tank für Frischwasser. Kochgeschirr konnte man für $35 zusätzlich mieten, ich hatte meines im Rucksack; aber zwei Klappstühle - um mal bequem draußen sitzen zu können - für $5 ließ ich mir geben. Automatikgetrieb bin ich nicht gewohnt und so fuchtelte von Beginn an mein linker Fuß orientierungslos im Fußraum umher, auf der Suche nach Beschäftigung. Dies, ebenso wie die Tatsache nun müde zu werden bewirkte, daß ich das Grundstück gleich in die falsche Richtung verließ und eine Weile von einem Highway auf den nächsten wechselte, dabei froh war in Alaska/USA und nicht in Deutschland auf den Straßen fremd zu sein, bis ich auf dem weiten Parkplatz eines großen Einkaufszentrums zum stehen kam. Denn Proviant brauchte ich ja auch noch bevor ich mich in nördlicher Richtung davon machen konnte. Einkaufszentrum ist Einkaufszentrum in Deutschland oder in Alaska. Die Preise sind nicht sonderlich auffallend, auch nicht für frische Früchte aus südlichen Regionen des Globus, die Auswahl schien mir aber größer als in einem vergleichsweise deutschen Laden (zumindest in diesem Einkaufszentrum). So befanden sich in einem Regal mindestens ein Dutzend verschiedener Olivensorten, nicht nur aus Amerika/Florida sondern auch aus Europa/Spanien. Und es lief relativ viel Personal herum das immer wieder fragte ob es helfen könne, wenn man einen Moment suchend (oder wie ich, irgendwie von der Reise benommen) in einer Regalreihe stand. Waren das die berühmt-berüchtigten Billigjober? Wieder beim Auto spürte ich die Sonne brennen. Es war bestes T-Shirtwetter. Im Auto sitzend wurde ich erst jetzt gewahr, das ich einen funkelnagelneuen Wagen fuhr, gerade 154 Meilen standen auf seinem Tacho. Nach dieser Einkaufspause schaffte ich es den richtigen Highway zu finden, mein linker Fuß beruhigte sich und nicht lange dauerte es, bis ich Anchorage in nördlicher Richtung auf dem George Parks Highway verließ. Das Gebiet ist noch recht dicht besiedelt (für Alaskaverhältnisse) und die Verkehrsdichte auf der großzügig ausgebauten Straße relativ hoch. Bei Meile 26 zweigte ich ab, auf eine Nebenstraße die am Rande des Chugach State Park auf Palmer zuführt. Weit wollte ich nicht fahren, irgendwo wollte ich den Tag beschließen, aber wo? Einen genauen Plan hatte ich schon nicht mehr im Kopf, also trieb ich im mäßigen Tempo dahin, auf einer Straße, die kaum befahren wurde. Auf der Nordseite des Eklutna River, direkt neben der Brücke, befand sich ein großes ebenes Gelände mit groben Kies zwischen einzelnen Bäumen. Ein idealer Platz um zur Ruhe zu kommen. "Nicht schießen" stand auf einem Schild an der Zufahrt zu diesem naturbelassenen "Parkplatz". Ein Camper hatte sich schon an das Flußufer gestellt. Ich zog es vor etwas mehr landeinwärts zu stehen. Ich machte mir etwas zu essen, packte meinen Rucksack aus und verteilte die Sachen in die einzelnen Schränke, suchte eine ganze Weile meinen Reisepaß (hatte ich ihn in Anchorage liegen lassen, das darf doch nicht war sein!), fand ihn endlich unter dem Fahrersitz genau an der Stelle, die am schlechtesten einsehbar war und kam endlich um elf Uhr herum zum liegen - bei noch hellem Tageslicht. Da hier nicht geschossen werden durfte, sollte es ja wohl eine ruhige Nacht werden, nur der Fluß rauschte und manchmal jaulte ein Truck über die Brücke.
(c) Klaus Dieter Schley - 1999 - 2010