Reiseerinnerungen Der Storybeutel
Sahelzone im Atlantik Die Kapverdischen Inseln
In Praia 7. November 1991 In meinem Zimmer wurde es während der Nacht nicht kälter: 30°C waren es, als ich aufstand. Mich sollte es nicht stören, zunächst einmal wollte ich frühstücken. Der Frühstücksraum war klein, vier bis maximal sechs Personen fanden darin Platz. So musste ich eine Weile warten bis ich an einen Tisch zu sitzen kam. Vor dem Haus auf der Straße waren schon viele Leute unterwegs. Für einen Europäer, der über Nacht eingeflogen war, ein ungewohnter Anblick: die vielen Menschen, die zu Fuß unterwegs waren im Verhältnis zu den wenigen Autos. Das Frühstück bestand aus einem riesigen, luftigen Brötchen, einem Spiegelei, einer Banane und einem Pott Kaffee mit Milch - oder war es eher Milch mit Kaffee? Santiago gilt als die afrikanischte Insel der Kapverden. Als ich nach dem Frühstück loslaufe und mich durch die weitverzweigte Stadt treiben lasse, begegnen mir überall Schwarze und Mischlinge, aber kaum Weiße und kaum Touristen. Nach einiger Zeit des Herumtreibens ruhte ich mich am Strand unterhalb des Hotels Praia Mar aus. Langsam und schon etwas müde spazierte ich hoch zum relativ protzig anmutenden Parlamentsgebäude, einem Geschenk der chinesischen Regierung. Weiträumig ist das Gebäude mit einem Zaun umgeben und kaum Menschen sind zu sehen; es machte einen geradezu verlassenen Eindruck. Nur ein halbes Dutzend Ziegen defilierten am Zaun entlang und versuchten an das trockene Gras zu kommen, das jenseits des Zaunes auf der Fläche bis zum Gebäude wuchs. Am Strand hatte ich die Beschreibung Praias in meinem Reiseführer durchgelesen. In den kommenden ein, zwei Tage wollte ich die verschiedensten Gebäude und Einrichtungen aufsuchen und so die Stadt erkunden, doch es sollte ganz anders kommen. Zunächst war ich etwas hungrig geworden und so spazierte ich wieder auf die Altstadt zu, schleppte mich die Stufen in der Mittagshitze hoch um in der Pria 12 de Setembro ein kleines Stück Kuchen zu essen und ein Glas von dem einheimischen Tropenbier zu kosten. Dieses Bier hat etwas weniger Alkohol als üblich, dennoch machte es mich schläfrig. Ich wusste, bei meinem Hotel gab es ein Restaurant, doch statt nochmals in den Reiseführer zu schauen latschte ich die Straße auf und ab auf der Suche nach dem Panoramrestaurant. Ich fand es nicht, dabei lag es genau eine Etage über meinem Hotelzimmer im gleichen Haus – ich Trottel! Dafür lernte ich Toni kennen. Er muss mich und mein suchendes Umhertappen schon eine Weile beobachtet und somit als Tourist identifiziert haben. In vielen Ländern, und vor allem in den ärmeren, gibt es diese Leute die auf der Suche nach Touristen umherstreifen um mit ihnen auf der einen oder anderen Weise etwas Geld zu machen. Das war mir schon klar. Toni fragte mich aus, woher und wohin und in welchem Hotel ich wohnte. Zusammen tranken wir noch ein Bier, das ich ausgab. Er lud mich zu sich nach Hause ein. Dort könnte ich sehr preiswert übernachten und seine Mutter würde kochen. Ich ließ mich letztendlich überreden zum Essen mit ihm nach Hause zu gehen. Einerseits kapitulierte ich vor seiner intensiven Anhänglichkeit, denn ich spürte schon bald, solange ich in der Stadt weilte, würde er mir immer wieder auflauern, es sei denn, ich würde ihn sehr schroff und unfreundlich abweisen und andererseits war ich durchaus neugierig auf das, was er mir alles (an-)bieten würde. Toni wohnte mit seiner Mutter, einer Schwester und einem Bruder unterhalb der Altstadt in einem mehrstöckigen Haus. Das Gebäude hatte keine Haustür, kein Licht im Treppenhaus und machte einen unfertigen sehr einfachen Eindruck, fast wie ein Rohbau. Vor dem Haus spielten Kinder und junge Frauen standen zusammen, sich unterhaltend. Die Wohnung bestand aus einem großen Raum mit einem Tisch in der Mitte, ein paar Stühlen, zwei weiteren kleinen Räumen -, den Schlafräumen und einer sehr schmalen Küche. Gekocht wurde mit Gas aus einer dicken Flasche. Die Mutter war eine pummelige, kleine Frau und sie gab mir zu verstehen - durch Toni, das ich ein "guter Mensch" sei, das könne sie an meinen Augen ablesen. War Toni eher klein und schmächtig und seine Haut mit einem grauen Schimmer so war sein Bruder sehr groß, genauer lang, glänzend und deutlich jünger. Sein ganzer Stolz waren weiße noch sehr neu ausschauende Sportschuhe und er träumte davon ein Basketballstar zu werden. Mit diesem Traum verbrachte er wohl die meiste Zeit des Tages, denn genau wie sein Bruder ging er wohl keiner regelmäßigen Tätigkeit nach. Die Schwester war nicht anwesend. Toni erzählte, das er in Lissabon eine Wohnung habe, das er auch lange Zeit in Portugal gelebt habe und das er dort eine Frau und Kinder habe und er eigentlich nur zu Besuch bei seiner Mutter sei. Zu essen gab es Reis mit Bananen, Pommes und zwei Eier. Ich hatte das meiste zu essen bekommen, die anderen aßen nur ein paar Brocken so nebenbei während ich richtig an den Tisch platziert wurde, sogar mit einer kleinen Tischdecke. Wohl fühlte ich mich in meiner Haut nicht, genau genommen fühlte ich mich mit allem etwas überrumpelt. Da saß ich nun, der "reiche" Europäer, bei dieser Familie, die sichtbar nur das nötigste hatte und futterte 3/4 des Mittagessens auf. Toni meinte nur ich solle essen, seine Mutter gab mir das auch zu verstehen. Toni führte Regie und ich gehorchte und ich wusste in seinem Kopf wird spekuliert. Nach dem Essen gab es plötzlich Besuch. Eine Frau mittleren Alters und in einem uniformähnlichem Kostüm betrat die Wohnung, unter dem Arm eine Aktenmappe. Sie setzte sich mit der Mutter an den Tisch und unterhielt sich mit ihr, dabei schaute sie in Unterlagen nach. Ich stand mit Toni zusammen und Toni erklärte mir, das Haus wie die anderen Häuser gleicher Bauart in der Nachbarschaft seien ein "Regierungsprojekt", also Sozialwohnungen und ich denke mir, der größte Teil des Familieneinkommens war Sozialhilfe. Als die Frau nach kurzer Zeit wieder gegangen war erklärte ich, das ich nun in mein Hotel zurück wollte. Ich bedankte mich für das Essen. Toni begleitete mich bis vor das Hotel. Unterwegs lud er mich für den nächsten Tag erneut zum Mittag ein, ich müsse unbedingt kommen, seine Mutter wolle Cachupa kochen und das wäre wirklich sehr gut. Als ich seinem Drängen nachgab meinte er plötzlich, es gäbe da leider ein Problem. Seine Mutter verschenke immer ihr Geld und um die Zutaten kaufen zu können wäre es nett würde ich ihm bis morgen 1200 ESC (rund 30DM) leihen. Toni war in seinem Fach ein Profi. Sollte ich nach diesem Nachmittag ablehnen? Ich gab ihm das Geld und wir verabredeten uns für acht Uhr des Morgens. Toni fand das etwas früh, aber ich wollte ja vor dem Essen noch etwas herumschauen und ich wusste, das meine heiße Zelle in dem Hotel zum in den Vormittag hineindösen nicht geeignet war. Toni war einverstanden, er sagte, er würde auf mich warten. An diesem Abend bin ich früh schlafen gegangen. Ich war müde und erschöpft und ich fragte mich, ob ich Toni morgen wieder sehen würde. Wenn nicht, so fand ich, wäre das auch nicht tragisch. Und wenn doch, nun, es würde Cachupa geben und darüber hinaus könnte ich gespannt sein, was er mir noch (an-) bieten würde. Fest stand, das ich tags darauf die Stadt in nördlicher Richtung verlassen würde, denn einen besonders aufregenden Eindruck machte Praia nicht.
Praia Mar Ponta Temerosa Ponta Temerosa
(c) Klaus Dieter Schley 2005 - 2010
Ein Tag mit Toni - 8. November 1991
Reiseerinnerungen Der Storybeutel
In Praia 7. November 1991 In meinem Zimmer wurde es während der Nacht nicht kälter: 30°C waren es, als ich aufstand. Mich sollte es nicht stören, zunächst einmal wollte ich frühstücken. Der Frühstücksraum war klein, vier bis maximal sechs Personen fanden darin Platz. So musste ich eine Weile warten bis ich an einen Tisch zu sitzen kam. Vor dem Haus auf der Straße waren schon viele Leute unterwegs. Für einen Europäer, der über Nacht eingeflogen war, ein ungewohnter Anblick: die vielen Menschen, die zu Fuß unterwegs waren im Verhältnis zu den wenigen Autos. Das Frühstück bestand aus einem riesigen, luftigen Brötchen, einem Spiegelei, einer Banane und einem Pott Kaffee mit Milch - oder war es eher Milch mit Kaffee? Santiago gilt als die afrikanischte Insel der Kapverden. Als ich nach dem Frühstück loslaufe und mich durch die weitverzweigte Stadt treiben lasse, begegnen mir überall Schwarze und Mischlinge, aber kaum Weiße und kaum Touristen. Nach einiger Zeit des Herumtreibens ruhte ich mich am Strand unterhalb des Hotels Praia Mar aus. Langsam und schon etwas müde spazierte ich hoch zum relativ protzig anmutenden Parlamentsgebäude, einem Geschenk der chinesischen Regierung. Weiträumig ist das Gebäude mit einem Zaun umgeben und kaum Menschen sind zu sehen; es machte einen geradezu verlassenen Eindruck. Nur ein halbes Dutzend Ziegen defilierten am Zaun entlang und versuchten an das trockene Gras zu kommen, das jenseits des Zaunes auf der Fläche bis zum Gebäude wuchs. Am Strand hatte ich die Beschreibung Praias in meinem Reiseführer durchgelesen. In den kommenden ein, zwei Tage wollte ich die verschiedensten Gebäude und Einrichtungen aufsuchen und so die Stadt erkunden, doch es sollte ganz anders kommen. Zunächst war ich etwas hungrig geworden und so spazierte ich wieder auf die Altstadt zu, schleppte mich die Stufen in der Mittagshitze hoch um in der Pria 12 de Setembro ein kleines Stück Kuchen zu essen und ein Glas von dem einheimischen Tropenbier zu kosten. Dieses Bier hat etwas weniger Alkohol als üblich, dennoch machte es mich schläfrig. Ich wusste, bei meinem Hotel gab es ein Restaurant, doch statt nochmals in den Reiseführer zu schauen latschte ich die Straße auf und ab auf der Suche nach dem Panoramrestaurant. Ich fand es nicht, dabei lag es genau eine Etage über meinem Hotelzimmer im gleichen Haus – ich Trottel! Dafür lernte ich Toni kennen. Er muss mich und mein suchendes Umhertappen schon eine Weile beobachtet und somit als Tourist identifiziert haben. In vielen Ländern, und vor allem in den ärmeren, gibt es diese Leute die auf der Suche nach Touristen umherstreifen um mit ihnen auf der einen oder anderen Weise etwas Geld zu machen. Das war mir schon klar. Toni fragte mich aus, woher und wohin und in welchem Hotel ich wohnte. Zusammen tranken wir noch ein Bier, das ich ausgab. Er lud mich zu sich nach Hause ein. Dort könnte ich sehr preiswert übernachten und seine Mutter würde kochen. Ich ließ mich letztendlich überreden zum Essen mit ihm nach Hause zu gehen. Einerseits kapitulierte ich vor seiner intensiven Anhänglichkeit, denn ich spürte schon bald, solange ich in der Stadt weilte, würde er mir immer wieder auflauern, es sei denn, ich würde ihn sehr schroff und unfreundlich abweisen und andererseits war ich durchaus neugierig auf das, was er mir alles (an-)bieten würde. Toni wohnte mit seiner Mutter, einer Schwester und einem Bruder unterhalb der Altstadt in einem mehrstöckigen Haus. Das Gebäude hatte keine Haustür, kein Licht im Treppenhaus und machte einen unfertigen sehr einfachen Eindruck, fast wie ein Rohbau. Vor dem Haus spielten Kinder und junge Frauen standen zusammen, sich unterhaltend. Die Wohnung bestand aus einem großen Raum mit einem Tisch in der Mitte, ein paar Stühlen, zwei weiteren kleinen Räumen -, den Schlafräumen und einer sehr schmalen Küche. Gekocht wurde mit Gas aus einer dicken Flasche. Die Mutter war eine pummelige, kleine Frau und sie gab mir zu verstehen - durch Toni, das ich ein "guter Mensch" sei, das könne sie an meinen Augen ablesen. War Toni eher klein und schmächtig und seine Haut mit einem grauen Schimmer so war sein Bruder sehr groß, genauer lang, glänzend und deutlich jünger. Sein ganzer Stolz waren weiße noch sehr neu ausschauende Sportschuhe und er träumte davon ein Basketballstar zu werden. Mit diesem Traum verbrachte er wohl die meiste Zeit des Tages, denn genau wie sein Bruder ging er wohl keiner regelmäßigen Tätigkeit nach. Die Schwester war nicht anwesend. Toni erzählte, das er in Lissabon eine Wohnung habe, das er auch lange Zeit in Portugal gelebt habe und das er dort eine Frau und Kinder habe und er eigentlich nur zu Besuch bei seiner Mutter sei. Zu essen gab es Reis mit Bananen, Pommes und zwei Eier. Ich hatte das meiste zu essen bekommen, die anderen aßen nur ein paar Brocken so nebenbei während ich richtig an den Tisch platziert wurde, sogar mit einer kleinen Tischdecke. Wohl fühlte ich mich in meiner Haut nicht, genau genommen fühlte ich mich mit allem etwas überrumpelt. Da saß ich nun, der "reiche" Europäer, bei dieser Familie, die sichtbar nur das nötigste hatte und futterte 3/4 des Mittagessens auf. Toni meinte nur ich solle essen, seine Mutter gab mir das auch zu verstehen. Toni führte Regie und ich gehorchte und ich wusste in seinem Kopf wird spekuliert. Nach dem Essen gab es plötzlich Besuch. Eine Frau mittleren Alters und in einem uniformähnlichem Kostüm betrat die Wohnung, unter dem Arm eine Aktenmappe. Sie setzte sich mit der Mutter an den Tisch und unterhielt sich mit ihr, dabei schaute sie in Unterlagen nach. Ich stand mit Toni zusammen und Toni erklärte mir, das Haus wie die anderen Häuser gleicher Bauart in der Nachbarschaft seien ein "Regierungsprojekt", also Sozialwohnungen und ich denke mir, der größte Teil des Familieneinkommens war Sozialhilfe. Als die Frau nach kurzer Zeit wieder gegangen war erklärte ich, das ich nun in mein Hotel zurück wollte. Ich bedankte mich für das Essen. Toni begleitete mich bis vor das Hotel. Unterwegs lud er mich für den nächsten Tag erneut zum Mittag ein, ich müsse unbedingt kommen, seine Mutter wolle Cachupa kochen und das wäre wirklich sehr gut. Als ich seinem Drängen nachgab meinte er plötzlich, es gäbe da leider ein Problem. Seine Mutter verschenke immer ihr Geld und um die Zutaten kaufen zu können wäre es nett würde ich ihm bis morgen 1200 ESC (rund 30DM) leihen. Toni war in seinem Fach ein Profi. Sollte ich nach diesem Nachmittag ablehnen? Ich gab ihm das Geld und wir verabredeten uns für acht Uhr des Morgens. Toni fand das etwas früh, aber ich wollte ja vor dem Essen noch etwas herumschauen und ich wusste, das meine heiße Zelle in dem Hotel zum in den Vormittag hineindösen nicht geeignet war. Toni war einverstanden, er sagte, er würde auf mich warten. An diesem Abend bin ich früh schlafen gegangen. Ich war müde und erschöpft und ich fragte mich, ob ich Toni morgen wieder sehen würde. Wenn nicht, so fand ich, wäre das auch nicht tragisch. Und wenn doch, nun, es würde Cachupa geben und darüber hinaus könnte ich gespannt sein, was er mir noch (an-) bieten würde. Fest stand, das ich tags darauf die Stadt in nördlicher Richtung verlassen würde, denn einen besonders aufregenden Eindruck machte Praia nicht.
Sahelzone im Atlantik Die Kapverdischen Inseln Praia Mar Ponta Temerosa
(c) Klaus Dieter Schley 2005 - 2010
Ein Tag mit Toni - 8. November 1991 Ponta Temerosa