Nach Assomada - 11. November 1991
Assomada ist ein Marktort mit rund zwanzig Tausend Einwohnern, 540m hoch gelegen inmitten von Mais- und
Bohnenfeldern. Zu allen Seiten ziehen sich Täler hinab. Mit einem Alluga war ich an diesem Vormittag in den Ort
gefahren. Ich wollte mir Assomada anschauen und ich musste Geld wechseln.
Kaum war ich aus dem Alluga ausgestiegen wurde ich von einem jungen Mann angesprochen. Auch so ein
„Toni“, dachte ich mir sogleich. Nun hatte ich nicht die geringste Lust mich beschwatzen und durch den Ort
führen zu lassen, also lehnte ich sein Begehren ab mich begleiten zu dürfen. Zum Glück akzeptierte er dies auch
sogleich.
Der nachhaltigste Eindruck waren die vielen laufenden Menschen: um den Markt herum, auf den Straßen und in
den Seitengassen, vor allem aber auch außerhalb des eigentlichen Ortes, zu
den Tälern hinab und zu den kleinen Häuschen und Weilern. Außerhalb des
Ortes gab es fast nirgends Straßen oder Fahrwege, nur schmale Fußwege
verbanden die einzelnen kleinen Siedlungen.
Ich setzte mich an den Stadtrand, vor mir eine Schlucht und auf der anderen
Seite eine Siedlung und ein dunkles, großes Gebäude - das Waschhaus. Viele
Frauen waren mir ihrer Wäsche - auf dem Kopf tragend - dorthin unterwegs
oder zurück zu ihren weit zerstreut liegenden Häusern. Auf einem Hügel
befand sich eine einfache Krankenstation. In einer langen Schlange standen
die Menschen davor und warten, bis sie wieder ein Stückchen vorrücken konnten. Wahrscheinlich war die
Krankenstation nicht jeden Tag geöffnet und deshalb gab es den große Ansturm.
In der Mitte des Ortes befand sich der Markt. Ein gelbes Gebäude mit einem Gewimmel von Menschen drum
herum. Gerüche von Gekochtem und Gebratenen sowie von Fisch lagen in der Luft. In einer Seitenstraße stand
ein Gebäude das mir wie aus einer ganz anderen Welt schien, was es
eigentlich auch war: sauber und gepflegt, mit einer exakten Aufschrift. Das
SOS-Kinderdorf. Auch die Anlage, die das Gebäude umschloss, war in
sauberen und einwandfrei gepflegten Zustand.
Die Bank war geschlossen. Zunächst dachte ich, es wäre die Mittagspause
und so setzte ich mich in einer Seitenstraße in eine kleine Bar. Dort trank ich
Apfelsaft, dann ein Bier. Die Bank blieb aber für diesen Tag geschlossen,
warum konnte ich nicht in Erfahrung bringen und so würde ich noch einmal
wiederkommen müssen. Mit einem Alluga fuhr ich nach Sao Jorge dos Orgaos
zurück.
Vor dem Abendessen saß ich eine lange Zeit in der Nähe der Pension bei einer Sisterne auf einer alten,
verwachsenen Terrasse. Während es dunkelt zogen sanft Regen androhende Wolken über die Berge. Die
Mondsichel leuchtet über den Pico de Antonia. Eine süße Wärme zog mit der
Nacht auf und in allen Richtungen zirpen die Grillen. Die Drohungen der
Wolken blieben ohne Folgen.
(c) Klaus Dieter Schley 2005 - 2010