16. November - Wanderausflug nach Norden 1991
In der ersten Nacht meines neuen Domizils hatte ich unruhig geschlafen: nahe am Meer war es laut, die
Brandung beherrschte die Nacht, im Wind klapperten die Palmenzweige vor meinem Fenster und strichen über
das Dach des Bungalow. Als ich aufstand war der Himmel von einem verwischten graublau. In zahlreichen
kleinen Booten waren Fischer draußen in der Bucht unterwegs, es war 25°C warm.
Die Unterkunft war teurer als ich einkalkuliert hatte: 1600 ESC pro Tag, wie ich nun erfuhr, denn der große Dicke
war in der Frühe aufgetaucht und hieß mich mitzukommen. Also latschte ich
hinter ihm drein, Richtung des Ortes, aber nahe des Ortseingangs hielt er auf
ein langes Gebäude zu, das wie ein Stall oder Lagerhaus aussah. Von der
einen Stirnseite durchliefen wir die leere Halle zur anderen Stirnseite. Dort
stand ein Tisch, ein einfacher Stuhl davor auf dem ich mich setzen sollte und
ein leicht komfortableres Modell auf der anderen Tischseite, auf das sich der
große Dicke setzte. Nun musste ich mich entscheiden wie lange ich bleiben
wollte. Auf einem Notizblock errechnete er die zu zahlende Summe plus einem
Betrag von ein paar hundert ESC deren Bedeutung ich nicht recht verstand
und die in der Rechnung auch nicht enthalten waren. Eine Art
Aufwandentschädigung? Dank meines sprachlichen Unvermögens sah ich schnell ein, das ich den Sinn und
Zweck dieser Zusatzkosten nicht genau in Erfahrung bringen würde. Ich zahlte und ging zurück mit dem Gefühl,
dem großen Dicken einen kleinen Nebenverdienst beschert zu haben.
Nachdem ich meine Unterkunft bezahlt hatte bekam ich Lust den schmalen Pfad zu folgen, der ausgehend vom
Strand in nördlicher Richtung durch das schroffe, hügelige Gelände führte, immer nahe der Küste und
angesichts des blauen Meeres. Überall behaupteten sich verdorrte
Salbeibüsche in dem steinigen Gelände. Riesige Spinnennetze waren hier und
dort zwischen diesen Büschen gespannt, einmal auch über den Pfad hinweg.
Weil ich es nicht beachtet hatte lief ich hinein ohne es zu zerstören, so fest
hielt es, als wäre es aus Garn gewebt.
Eine Frau mit ihren Kindern, alle einen Holzstapel dem Kopf tragend, kam mir
entgegen. Dieser Fußweg war also auch ein sehr alltäglicher Verkehrsweg für
die Menschen, wenn ich auch nirgends Unterkünfte entdeckte. Von einer
Hochebene blickte ich auf einen Sandstrand hinab, der zum Ziel der kleinen
Wanderung wurde.
Als ich den Strand entlang schlenderte und meine Spuren im Sand hinterließ, die einzigsten Spuren eines
Menschen, kam ich mir wie Robinson vor, wie ein einsamer Entdecker auf einer noch einsameren Insel oder wie
ein Pirat auf der Suche nach einem Platz um in Rente gehen zu können. Nirgends waren Spuren menschlicher
Aktivitäten zu entdecken. Ich setzte mich in den Schatten einer Tamariske und döste. Nun war ich an einem der
vielen kleinen Enden der Welt, Zipfel des Planeten, die in die Zeitlosigkeit des
Universum stießen. Vielleicht hätte ich noch Stunden so liegen können, dösend
und im Halbschlaf träumend, wenn mich nicht das im Wind raschelnde
Geräusch einer halb verwitterten Plastiktüte bei einem Felsen aufmerken ließ
und das Gefühl von Robinson und Planetenzipfel wich urplötzlich der banalen
Sehnsucht nach einem kühlen Bier.
Den Nachmittag verbrachte ich am Strand. Die Brandung war teilweise recht
heftig. Erstmals auf meiner Reise konnte ich andere deutsche Touristen
beobachten, die ebenfalls in den Bungalows wohnten, ein Paar sogar mit
einem Baby. Es hätte mich auch arg gewundert einen Ort auf der Welt zu
finden an dem nicht auch (außer mir) Deutsche herumlaufen, denn das hatte es bislang noch nie gegeben.
(c) Klaus Dieter Schley 2005 - 2010