15. November 1991 - Nach Tarrafal
Habe im Apartmentbungalow Haus Nr. 2a (oben) in Tarrafal Quartier bezogen. Das ich diese Unterkunft - endlich
- habe ist ein positiver Aspekt dieses Vormittags. Einen schönen Strand und das Meer unmittelbar vor der Tür
sollten es auch bald mit sich bringen, das ich mich an diesen Ort gewöhne und das er mir gefällt.
Auf meinen Reisen gefielen mir immer wieder einzelne Orte so gut, das ich gerne länger, viel länger dort
geblieben wäre und es mir jedesmal Leid tat, wenn ich den Ort vorzeitig verließ oder verlassen musste. So war
es auch an diesem Morgen mit der Pension Sossego. Meine Zeit war nun einmal begrenzt und so hatte ich den
Abend zuvor angekündigt, am nächsten Morgen abreisen zu wollen. 11480 ESC musste ich zahlen, für die
Unterkunft und für das sehr gute Essen. Das war weniger als ich gerechnet hatte und so war ich angenehm
überrascht. Gut war auch, dass der Inhaber der Pension mich mit seinem Auto runter in den Ort brachte, genau
zu der Zeit, in der ein Allugua vorbeikam, mit dem ich über Assomada weiter zum Küstenort Tarrafal fuhr.
Gleich nach der Ankunft bin ich zielstrebig runter zum Strand gelaufen. Dort sollte es nach meinen Informationen
die Möglichkeit geben - gegen eine geringe Gebühr - zu campieren, bei den Bungalows. Tatsächlich stand auch
ein einzelnes Zelt zwischen den Gebäuden unter Palmen, doch als Zeltplatz fand ich den Ort, also zwischen den
Häuschen, nicht so attraktiv und spontan entschloss ich mich doch eher ein Bungalow zu mieten. Ein Mann,
wohl der Verwalter, Hausmeister oder so etwas ähnliches mit stattlicher Figur und einem feinen
Wohlstandsbauch kaum auf mich zu und er meinte, wir müssten in den Ort gehen um heraus zu finden ob etwas
frei sei. Ich trottete also hinter ihm her und er führte mich in ein großes Gebäude, in dem es lebhaft zu ging. Es
war das Verwaltungsgebäude der örtlichen Kooperative, die unter anderem auch für die Bungalows zuständig
war. Ich wurde an den großen Tresen platziert und sollte warten. Da stand ich nun, harrte der Dinge die da
kommen sollten während um mir herum Landarbeiter und Bauern Waren und Gerätschaften anschleppten oder
abholten, in unzähligen Büchern und Heften geschaut und geschrieben wurde, lebhafte Diskussionen erschallten
und immer wieder Geld von der einen Seite des Tresens zur anderen hin und her wechselte.
Die Zeit verging und langsam kam ich mir vor wie hingestellt aber nicht abgeholt und der Eindruck, mal wieder
etwas nicht richtig verstanden zu haben war vorherrschend. Von dem guten Mann, der mich herbrachte, war
nichts mehr zu sehen. Plötzlich aber tauchte eine zierliche junge Frau auf, mit einer riesigen Kladde, die sie vor
mir auf den Tresen legte und nun darin blätterte. Ich gab auf ihre Frage, die ich irgendwie verstand oder glaubte
zu verstehen an, wie lange ich bleiben wolle und sie blätterte weiter, suchte die Seiten Spalte um Spalte ab, in
denen Namen, Nummern und Daten eingeschrieben waren. Die Bungalows waren wohl gut ausgebucht. Dann
fand sie etwas, machte eine Notiz auf einem kleinen Zettel, den sie mir gab und verschwand mit der Kladde
wieder. Eine ganze Weile verging nun wieder bis plötzlich der große Dicke auftauchte und wir losliefen hinunter
zu den Bungalows.
Das Apartment war besetzt. Der große Dicke schaute auf den Notizzettel, den ich bei mir trug und polterte
beherzt an die Tür. Portugisische Laute erklangen von der anderen Seite, es entwickelte sich durch die Tür
hindurch ein lebhafter Dialog bis sich plötzlich die Tür öffnete und sich ein junges, leicht bekleidetes und noch
schlaftrunkenes Paar zeigte. Soviel ich mitbekam, deutete und enträtselte, war dieser Tag ihr Abreisetag. Der
große Dicke schaute sich in dem Apartment laut redend um und mir war die ganze Situation schon etwas
peinlich; doch wohl nicht nur mir, auch dem jungen Portugiesen war das wohl nicht recht, jedenfalls grüßte er
mich freundlich mit einer entschuldigenden Geste. Es dauerte dann auch nicht lange und die beiden hatten ihre
Rucksäcke gepackt und zogen von dannen, der große Dicke rief mich hinein und wies mir mein Reich zu. Und
schon war er wieder verschwunden.
Der Bungalow bestand aus zwei Etagen, also zwei Apartments. Ich hatte das obere bekommen. Es bestand aus
zwei eher kahlen Räumen. Beim Eingang war gewissermaßen die Küche, dort gab es einen Tisch, zwei Stühle
und gegenüber der Kochstelle an der Wand befand sich ein Bett, zum Glück ungebraucht, wie ich mir dachte,
denn das Doppelbett im Schlafzimmer war ja von den Portugiesen benutzt worden. Neben der Küche gab es
auch ein kleines Badezimmer, Toilette und Dusche. Kaum hatte ich mich mit den Räumlichkeiten vertraut
gemacht und festgestellt, das aus dem Wasserkran gemächlich sauberes Wasser trudelte, als es an der Tür
polterte, sie sich öffnete, der Stiehl eines Schrubbers und eines Besens durchschob, gefolgt von einem Eimer
und weiteren Putzutensillien und einer Frau in blauen Kittel mit kugelrundem Kopf unter ebenfalls meerblauen
Tuch. Angesichts meiner Person verzog sich ihr Gesicht zu einem verdrießlichen Grinsen und ihrem Mund
entschwand ein Schwall von Worten dem ich - verbunden mit ihren Gesten - entnahm, das ich verschwinden
solle, hier würde nun aufgeräumt und in der nächsten Stunde hätte ich hier nichts zu suchen. Mir war es recht.
Ich schaute mir den Strand und die nähere Umgebung an und als ich nach rund zwei Stunden wieder kam, war
mein Apartment blitzsauber, das Doppelbett frisch bezogen und die Pension Sossego war Erinnerung, denn nun
war mir klar, an diesem Ort würde ich es gut einige Tage aushalten können.
Den weiteren Tag verbrachte ich damit durch den Ort zu bummeln, in einer Bar mit Restaurant ein Bier zu
trinken, nachmittags ein erstes Bad im Meer zu nehmen und abends im Strandrestaurant "Esplanada" ein
preisgünstiges und reichhaltiges Fischmenü zu essen. Nur die unmäßig vielen Gräten störten den Schmaus
etwas.
Zu meinem Tisch gesellte sich ein besonders magerer Hund dem ich ein paar kleine Kartoffeln gab, die er
vorsichtig aber zielstrebig fraß.
In den Abendstunden bummelte ich nochmals durch den Ort. Es begann eine diesige Nacht bei Halbmond.
Kinder und Jugendliche sprangen durch die düsteren Gassen und versammelten sich unter Laternen. Mir fiehlen
zwei farbige Jugendliche auf, bunt gekleidet wie Hippies, die ihre blonden Haare sehr lang wachsen ließen!
Zuerst dachte ich, sie hätten sich ihre Haare gefärbt, später las ich, das es eine ganze Reihe Farbiger auf den
Inseln gibt mit blonden Haaren: eine Folge der Verbindung mit Europäern, vor allem den Portugiesen.
In meinem Apartment waren 27°C. Vor dem schlafen gehen saß ich noch einige Zeit unter dem grellen Neonlicht
in der Küche am Tisch. Im Badezimmer gurgelte es nun schon den ganzen Tag im Gedärm der Installation -
Echo auf das Rauschen des Meeres.
(c) Klaus Dieter Schley 2005 - 2010