Begegnung mit einem alten Mann - 12. November 1991
Morgens um sieben Uhr gab es täglich reichlich Lärm: jeder Vogel machte seinen Schnabel auf, wie mir schien,
so weit es nur irgend ging. Rund eine halbe Stunde dauerte das Konzert, dann wurde es binnen kurzer Zeit
wieder ruhig. Mit dem Lärm gab es Wasser in der Dusche und so stand ich auf und machte mich für den Tag
frisch.
Wieder lief ich einige Stunden in der näheren Umgebung umher. Am Ende
eines Fahrweges, umgeben von Feldern, wurde ich plötzlich gerufen. Ein
ungefähr sechzig Jahre alter Mann winkte mich zu einem der teils winzigen
Behausungen, die verstreut in den Feldern standen. Er redete auf mich ein,
zeigt mir, das ich mich zu ihm setzen solle und freute sich sichtlich, das ich
seiner Einladung nachkam. Er zeigte mir etwas von seinem kleinen Besitz,
nicht ohne Stolz und ohne Hinweis auf das Schwierige seiner Arbeit. Ein
kleines, weiß getünchtes Haus, Ställe aus geschichtetem Stein, grob und
wackelig erscheinend mit einem Dach aus Bambus und Stroh. Seine Frau, sein
Sohn mit Schwiegertochter und Enkelkind lebten auch in diesem kleinen
Anwesen. Er erzählte mir manches, während wir im Schatten der Bäumen auf kleinen, stabilen Schemeln saßen.
Doch was heißt erzählen? Nicht einmal creolisch entsprang seiner Mundhöhle mit den wenigen, noch weißen
und groben Zahnstümmel. Aber mit den Händen unterstrich er seine Worte,
wies hier hin, zeigte dort hin, ermunterte mich zu antworten, mit meinem
Gesicht, des Staunens und Lachens, mit meinen Händen, die ich zu
verstehbaren Fragmenten formte. Der alte Mann freute sich. Und ich war
unsicher, überrascht, auch erfreut über den gelungenen Dialog. Natürlich war
ich mir nicht sicher, ob ich alles richtig verstanden hatte. Dennoch wunderte ich
mich, wieviel ich erfuhr obwohl wir kaum mehr als ein dutzend gemeinsamer
Worte fanden.
Er brachte mich zum Weg, wies ihn entlang, einen Hügel hinauf, den Weg, den
ich nun zu gehen hatte um wieder zu meiner Pension zurück zu kommen. Aus den Häusern am Rande des
schmalen, teils steilen Pfades kamen Blicke, fragend aber auch lachend.
Am frühen Nachmittag war ich zurück in mein warmes Zimmer und legte mich
für eine Weile aufs Bett. Stimmen und Musik drangen durch das Fenster und
bald schon folgten ihnen Fliegen, die meinen schwitzenden Körper begehrten.
Nachdem ich etwas geruht hatte, spazierte ich wieder zur Siesterne bevor ich
mich ins Restaurant zu einem leckeren Abendessen setzte.
(c) Klaus Dieter Schley 2005 - 2010